Lebens Zitate (Seite 194)
Gruß der Sonne
Aus den braunen Schollen
Springt die Saat empor,
Grüne Knospen rollen
Tausendfach hervor.
Und es ruft die Sonne:
»Fort den blassen Schein!
Wieder will ich Wonne,
Glut und Leben sein!
Wieder wohlig zittern
Auf dem blauen Meer,
Oder zu Gewittern
Führen das Wolkenheer!
In den Frühlingsregen
Sieben Farben streun
Und auf Weg und Stegen
Meinen goldnen Schein!«
Gottfried Keller
Der Schulgenoß
Wohin hat dich dein guter Stern gezogen,
O Schulgenoß aus ersten Knabenjahren?
Wie weit sind auseinander wir gefahren
In unsern Schifflein auf des Lebens Wogen!
Wenn wir die Untersten der Klasse waren,
Wie haben wir treuherzig uns betrogen,
Erfinderisch und schwärm'risch uns belogen
Von Aventuren, Liebschaft und Gefahren!
Da seh' ich just, beim Schimmer der Laterne,
Wie mir gebückt, zerlumpt ein Vagabund
Mit einem Häscher scheu vorübergeht - !
So also wendeten sich...
Gottfried Keller
Wachende Augen für anderer Glück,
Fühlende Herzen für fremdes Geschick,
Schnelles Verständnis für Freude und Not,
Helfende Hände im Leben und Tod,
Liebe, die gern im Verborgenen geht,
Schweigende Opfer und stilles Gebet,
Leis wie die Engel und selten erkannt,
Fern von der Menge und niemals genannt,
Reich im Entsagen und dürftig im Lohn,
Friede im Auge und Freude im Ton,
Selig im Geben, doch selbst wünschelos,
Selbstlose Seelen – wie heilig, wie groß!
Theresa Keiter
Eine Sehnsucht sitzt im Herzen,
ich weiß nicht, wohin sie will.
Flieht sie zum Himmel, bleibt sie auf Erden?
Ich liege und halte still.
Sucht sie des Grabes Ruh oder das Leben?
Ich fühl's, sie läßt sich nicht stillen,
es ist eine Sehnsucht auf eigene Hand,
nur um der Sehnsucht willen.
Erik Axel Karlfeldt
Gebot der Fairness
Dem Leben verleiht optisch Würze
nicht ausschließlich die Kittelschürze,
des Mannes Blick erfreut sich auch an Fummeln
in denen Boxenluder sich gern tummeln.
Dies führt vereinzelt zu Beschwerden,
der Hausfrau nicht gerecht zu werden.
Drum lohnt es sich, nie zu vergessen,
speziell bezüglich Mittagessen:
Zwar haben Hotpants deutlich Charme,
doch Suppe wird davon nicht warm
KarlHeinz Karius
Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt,
Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens
Hoffst du, daß die Liebe währt!
Bist du treu, sie lachen deiner,
Ändern wie die Moden sich,
Änderst du dich, keift gemeiner
Eifersücht'ger Neid um dich.
Drum vermeide Hymens Falle,
Hoffe nie, ein Weib sei dein!
Aber lieb' und täusche alle,
Um nicht selbst getäuscht zu sein.
Nikolai Michailowitsch Karamsin
Die Macht der Liebe
Überall wohin mein Auge blicket,
Herrschet Liebe, find' ich ihre Spur;
Jedem Strauch und Blümchen auf der Flur
Hat sie tief ihr Siegel eingedrücket.
Sie erfüllt, durchglüht, verjüngt und schmücket
Alles Lebende in der Natur;
Erd' und Himmel, jede Kreatur,
Leben nur durch sie, von ihr beglücket.
Johann Nepomuk Ritter von Kalchberg
Ohne Liebe
Was wißt ihr, wie es tut
wenn einem die Myrte im Haare ruht,
und die Leute kommen einem entgegen,
und junge Tannen stehn an den Wegen;
die Schwestern gehn überströmten Gesichts, –
vom Turme läuten die Glocken, –
und das Herz weiß von nichts.
O Leben, rühre mich leise an:
ich träume ja noch!
Mein Herz ist voll Licht und Waldesruh,
greif nicht so hart, nicht so eisig zu –
ich träume ja noch!
So aus dem Licht in die Nacht,
aus dem Lenz in den Schnee,
das hat schon manchen blind...
Frida Jung
Leiden
Ich wohn' in einem dunklen Land,
mein Leben liegt in Trümmern,
ich seh' von fern den selgen Strand
Der Gotteskinder schimmern.
Doch eine Stimme fest und lind,
Von der mich nichts darf scheiden,
Tönt an mein Ohr: "Dein Weg, mein Kind,
Zu diesem Licht heißt Leiden."
Elisabeth Josephson-Mercator
Die alte Jungfer
Niemand zu Liebe, niemand zu Last,
Ist sie erloschen und verblaßt.
In ihrem Stübchen sann sie und sann,
Bis ihr einsames Leben darüber verrann.
Keiner hat nach ihr die Hand ausgestreckt
Und die flügelgebundene Seele erweckt.
Keiner hat in der Sommernacht
Zu seligem Weinen sie gebracht.
Und doch flogen Locken auch ihr ums Gesicht,
Und ihre Augen glänzten jung und licht.
Und doch schlug auch ihr in verschwiegener Brust
Die Sehnsucht nach Sonne und Frühlingslust.
Niemand zu...
Maria Janitschek
Eine Seele
In deinen Liedern lebt mein Leben,
Durch meine Lieder strömt dein Blut.
Ein unerschöpftes Nehmen, Geben
Und eine unerschöpfte Glut.
Ein Lächeln nur und nur ein</em> Leiden,
Du bist in mir und ich in dir.
Und kommt das Glück, es winkt uns beiden,
Und keiner bettelt: Komm zu mir!
Und wenn mein Blick vom letzten Ziele
Ins fremde Land hinüberrinnt,
Du fühlst es mit, wie ich es fühle,
Weil wir so ganz verkettet sind.
Ludwig Jacobowski