Leben Leben Lassen Zitate (Seite 5)
Liebe
Aus der Ferne kam ich wieder her,
Und so dunkel sind die alten Gassen,
Und die Häuserschatten sind so schwer,
Und der Marktplatz ist so still und leer –
Und die Eine finde ich nicht mehr,
Die ich nicht vergessen kann, noch lassen.
Und die Brunnen rauschen wunderlich
Und erzählen sich viel selt'ne Dinge,
Und am dunkeln Tore flüchten sich
Aufgescheucht zwei Abendschmetterlinge.
An dem kleinen Fenster war es licht,
Vor du jenem deine Hand gegeben –
Heut' erhellt sich mir das Fenster...
Anton Renk
Im Dämmerlicht
Die Sonne sinkt am Horizont,
kalter Wind bläst aus Nordwest,
Wellen türmen sich als Front,
zu einem gischtbedeckten Fest.
Felsen ragen aus dem Meer,
lassen sich durch nichts bewegen,
trotzen Neptuns feuchtem Heer,
stehen fest wie Kampfstrategen.
In dieser Elemente Macht,
seh ich dich an im Dämmerlicht,
bei dieser schaurig schönen Pracht,
sag ich ganz leis: Ich liebe dich.
So wie der Fels in wilder Flut,
werden wir die Welt begeistern,
mit uns'rer Herzen heißer Glut,
des...
Horst Rehmann
Deine Hände
Jetzt bin ich lüstern nach deinen Händen.
Wenn sie die meinen begrüßend drücken,
können sie Weltraum-staunend beglücken.
Deine Hände führen ein selbstgewolltes, stilles Leben.
Ich habe mich deinen Händen ergeben.
Nun dürfen sie mich begreifen und fassen,
zu deinen Höhen, mit Blicken nach Weiten,
mich geschenk-gütig heben. –
Spielerisch aber werden sie mich übergleiten
und am Wege hier liegen lassen.
Ernst Wilhelm Lotz
Besitz
Großer Garten liegt erschlossen,
Weite schweigende Terrassen:
Müßt mich alle Teile kennen,
Jeden Teil genießen lassen!
Schauen auf vom Blumenboden,
Auf zum Himmel durch Gezweige,
Längs dem Bach ins Fremde schreiten,
Niederwandeln sanfte Neige:
Dann, erst komme ich zum Weiher,
Der in stiller Mitte spiegelt,
Mir des Gartens ganze Freude
Träumerisch vereint entriegelt.
Aber solchen Vollbesitzes
Tiefe Blicke sind so selten!
Zwischen Finden und Verlieren
müssen sie als göttlich...
Hugo von Hofmannsthal
Mädchenlied
Soll ich ihn lieben,
Soll ich ihn lassen,
Dem sich mein Herz schon heimlich ergab?
Soll ich mich üben,
Recht ihn zu hassen,
Rate mir gut, doch rate nicht ab.
Wild ist er freilich,
Hastig von Sitten,
Keiner begreift es, wie lieb ich ihn hab.
Aber so heilig
Kann er auch bitten,
Rate mir gut, doch rate nicht ab.
Reichere könnt' ich,
Weisere haben,
Gut ist im Leben ein sicherer Stab.
Keiner doch gönnt' ich
Den wilden Knaben –
Rate mir gut, doch rate nicht ab.
Laß ich von...
Paul von Heyse
Grabschrift
Wir alle sollen's lesen
im schweigenden Gestein –
du bist treu gewesen
mögen auch wir es sein.
Wo wir dich recht erfassen,
sehen wir das Licht;
wir wollen dich nicht lassen,
du verläßt uns nicht.
Wenn diese Stunde vergangen
wenden wir fort den Schritt,
doch, soweit unsere Schritte langen,
gehst du lebend mit.
Dein Leben war Vertrauen,
dein Wirken war dein Ruh'n,
Lieben, Schützen und Bauen –
mögen auch wir das tun.
Es sind der Pfade viele –
wer zeigt den rechten Steg?
Noch gehen...
Henry von Heiseler
Die eine Klage
Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden,
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt, was er verloren,
Lassen muß, was er erkoren,
Das geliebte Herz,
Der versteht in Lust die Tränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Grenzen schwinden
Und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt‘ ein Wesen liebgewinnen,
O! den tröstet’s nicht ,
Daß für Freuden, die verloren,
Neue werden neu...
Karoline von Günderode
(Prinzessin:)</em>
Wohl ist sie schön, die Welt! In ihrer Weite
Bewegt sich so viel Gutes hin und her.
Ach, daß es immer nur um einen Schritt
Von uns sich zu entfernen scheint
Und unsre bange Sehnsucht durch das Leben
Auch Schritt vor Schritt bis nach dem Grabe lockt!
So selten ist es, daß die Menschen finden,
Was ihnen doch bestimmt gewesen schien,
So selten, daß sie das behalten, was
Auch einmal die beglückte Hand ergriff!
Es reißt sich los, was erst sich uns ergab,
Wir lassen los, was wir...
Johann Wolfgang von Goethe
Wolle keiner mich fragen
Wolle keiner mich fragen,
Warum mein Herz so schlägt.
Ich kann's nicht fassen, nicht sagen,
Was mich bewegt.
Als wie im Träume schwanken
Trunken die Sinne mir;
Alle meine Gedanken
Sind nur bei dir.
Ich hab die Welt vergessen,
Seit ich dein Auge gesehn;
Ich möchte dich an mich pressen
Und still im Kuß vergehn.
Mein Leben möcht' ich lassen
Um ein Lächeln von dir
Und du – ich kann's nicht fassen,
Versagst es mir.
Ist's Schicksal, ist's dein Wille?
Du siehst mich nicht;...
Emanuel Geibel