Leben Leben Zitate (Seite 199)
Schon mit ihren schlimmsten Schatten
Schleicht die böse Nacht heran;
Unsre Seelen sie ermatten,
Gähnend schauen wir uns an.
Du wirst alt und ich noch älter,
Unser Frühling ist verblüht.
Du wirst kalt und ich noch kälter,
Wie der Winter näher zieht.
Ach, das Ende ist so trübe!
Nach der holden Liebesnot,
Kommen Nöte ohne Liebe,
Nach dem Leben kommt der Tod.
Heinrich Heine
Von schönen Lippen fortgedrängt
Von schönen Lippen fortgedrängt, getrieben
Aus schönen Armen, die uns fest umschlossen!
Ich wäre gern noch einen Tag geblieben,
Da kam der Schwager schon mit seinen Rossen.
Das ist das Leben, Kind! ein ewig Jammern,
Ein ewig Abschiednehmen, ew'ges Trennen!
Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern?
Hat selbst dein Auge mich nicht halten können?
Heinrich Heine
Die Heimkehr
Ach, die Augen sind es wieder,
Die mich einst so lieblich grüßten,
Und es sind die Lippen wieder,
Die das Leben mir versüßten!
Auch die Stimme ist es wieder,
Die ich einst so gern gehöret!
Nur ich selber bins nicht wieder,
Bin verändert heimgekehret.
Von den weißen, schönen Armen
Fest und liebevoll umschlossen,
Lieg ich jetzt an ihrem Herzen,
Dumpfen Sinnes und verdrossen.
Heinrich Heine
Neujahrslied
Mit der Freude zieht der Schmerz
traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste,
bange Sorgen, frohe Feste
wandeln sich zur Seiten.
Und wo eine Träne fällt,
blüht auch eine Rose.
Schön gemischt, noch eh wir´s bitten,
ist für Thronen und für Hütten
Schmerz und Lust im Lose.
War´s nicht so im alten Jahr?
Wird´s im neuen enden?
Sonnen wallen auf und nieder,
Wolken gehn und kommen wieder,
und kein Wunsch wird´s wenden.
Gebe denn, der über uns
wägt mit rechter Waage,
jedem...
Johann Peter Hebel
Was treibt mich hier von hinnen?
Was lockt mich dort geheimnisvoll?
Was ist's, das ich gewinnen,
Und was, womit ich's kaufen soll?
Trat unsichtbar mein Erbe,
Ein Geist, ein luft'ger, schon heran,
Und drängt mich, daß ich sterbe,
Weil er nicht eher leben kann?
Und winkt mir aus der Ferne
Die Traube schon, die mir gereift
Auf einem andern Sterne,
Und will, daß meine Hand sie streift?
Christian Friedrich Hebbel
Seele, die du unergründlich
Tief versenkt, dich ätherwärts
Schwingen möchtest und allstündlich
Dich gehemmt wähnst durch den Schmerz,
An den Taucher, an den stillen,
Denke, der in finstrer See
Fischt nach eines Höhern Willen.
Nur vom Atmen kommt sein Weh.
Ist die Perle erst gefunden
In der öder Wellengruft,
Wird er schnell emporgewunden,
Daß ihn heitre Licht und Luft.
Was sich lange ihm verhehlte,
Wird ihm dann auf einmal klar,
Daß, was ihn im Abgrund quälte,
Eben nur sein Leben war.
Christian Friedrich Hebbel
Ein Lebewohl
"Wie denkst du mein?"
Wie eines holden Traumes,
Der schönsten Blüt' des blütenreichen Baumes
Der Phantasie, gedenk' ich dein!
Ich bin erwacht!
Der kosend mich umwunden,
Der süße Traum ist eilig mir verschwunden,
Ließ mich allein in dunkler Nacht.
Doch, wenn ein Traum,
Ein lieblicher, sich endet,
Wer hätte Klagen wohl um ihn verschwendet?
Man denkt an ihn Minuten kaum!
Die Nacht entflieht:
Mir winkt das rege Leben:
Mögst du dir selbst so leicht, als ich vergeben,
Ich, der in dir –...
Christian Friedrich Hebbel
Ein Hasenschicksal
Zwei Freunde duellieren sich;
Warum? ist schwer zu sagen,
Es gilt ja gleich, aus welchem Grund,
Wenn man sich nur geschlagen.
Der erste schießt, die Kugel fehlt
Und wühlt sich in den Rasen,
Doch aus dem Neste scheucht der Knall
Den feigsten aller Hasen.
Er eilt von dannen überquer
Da schießt der zweite eben,
Auch dieser trifft nicht, doch sein Ball
Raubt unserm Matz das Leben.
Nun reichen beide sich die Hand,
Sie sind ja nicht von Eisen,
Und werden beim...
Christian Friedrich Hebbel
Die Perle
Die Schnecke muß erst eine Wunde
Empfangen, wenn sie aus ihrem Schoß
In ihres Lebens schönster Stunde
Sich ringen soll die Perle los.
So steigt auch aus dem Dornenschoße
Des bleichen Jammers und der Not
Hervor das Herrliche und Große,
Auf der Bedürftigkeit Gebot.
Laßt uns denn alle mutig stehen,
Wenn uns ein hartes Schicksal naht.
Die Mutter fühlt ja auch erst Wehen,
Eh' sie ein lieblich Kindlein hat.
Christian Friedrich Hebbel
Der Baum in der Wüste
Es steht ein Baum im Wüstensand,
Der einzige, der dort gedieh;
Die Sonne hat ihn fast verbrannt,
Der Regen tränkt den durst'gen nie.
In seiner falben Krone hängt
Gewürzig eine Frucht voll Saft,
Er hat sein Mark hinein gedrängt,
Sein Leben, seine höchste Kraft.
Die Stunde, wo sie, überschwer,
Zu Boden fallen muß, ist nah',
...
Christian Friedrich Hebbel
Herbstgefühl
Grünen, Blühen, Duften, Glänzen,
Reichstes Leben ohne Grenzen,
Alles steigernd, nirgends stockend,
Selbst die kühnsten Wünsche lockend;
Ja, da kann ich wohl zerfließen,
Aber nimmermehr genießen;
Solche Flügel tragen weiter,
Als zur nächsten Kirschbaumleiter.
Doch, wenn rot die Blätter fallen,
Kühl die Nebelhauche wallen,
Leis durchschauernd, nicht erfrischend,
In den warmen Wind sich mischend:
Dann vom Endlos-Ungeheuren
Flücht' ich gern zum Menschlich-Teuren,
Und in einer ersten...
Christian Friedrich Hebbel