Leben Zitate (Seite 156)
Am Wegesrand
Auf der Terrasse sitze ich,
mit Blick in unseren Garten.
Sehr darauf gefreut habe ich mich
und konnte es kaum erwarten.
Ich will sie spüren, die warme Luft;
weit öffne ich Fenster und Tür.
Der Garten hängt voll mit blumigem Duft,
und ich bin dankbar dafür.
Bin dankbar für Blumen, Wiesen und Bäume,
für Tiere aller Arten,
für die Erfüllung mancher Träume.
Was darf ich vom Leben mehr erwarten?
Wir sollten öfter ruhig stehen,
um links und rechts zu schauen.
Zeit haben, aufeinander...
Edith Tries
Der reichste Tag
Das war mein schönster Tag, als ich dich fand:
Es war ein selig staunendes Begegnen,
Ein stummes Ineinanderglühn, ein Segnen,
Das in der Blicke Wechselsprache stand.
Und als ich dann gewährend durfte geben:
Das war der schönste Tag in meinem Leben!
Dann kam ein Tag, da ließ mich dein Vertraun
Auch deine ewig tiefen Schmerzen schaun,
Damit ich sie mit dir gemeinsam trage:
Und dieser war der reichste meiner Tage. –
Ella Triebnigg-Pirkhert
Ob nachts auch thränenfeucht dein Pfühl,
Und heiß die ruhelosen Lider,
Einst wirst du schlummern sanft und kühl,
Und keine Sorge weckt dich wieder.
Vergehe nicht in Angst und Qual,
Es eilt die Stunde, dich zu retten;
Vier Bretter nur braucht's dünn und schmal,
Ein müdes Menschenherz zu betten.
Und du auch findest eine Hand,
Die Augen sanft dir zuzudrücken,
Mit einer Blume, einem Band
Dir Deinen Sarg noch auszuschmücken.
Der Tod bring Ruhe deinem Harm,
Die dir das Leben nie vergönnte;
Halt...
Albert Träger
Silentium!
Schweige, verbirg dich und halte
deine Gefühle und Träume geheim,
laß sie in der Tiefe deiner Seele
lautlos auf- und untergehen
wie Sterne in der Nacht;
erfreue dich an ihnen – und schweige.
Wie soll das Herz sich offenbaren?
Wie soll ein anderer dich verstehen?
Begreift er, wodurch du lebst?
Ein ausgesprochener Gedanke ist eine Lüge.
Wenn du die Quellen aufwühlst, trübst du sie;
zehre von ihnen – und schweige.
Verstehe, nur in dir selbst zu leben:
es gibt in deiner Seele eine...
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew
In Anbetung versunken, des Daseins kaum bewußt,
So saßen noch lang wir und staunten in wehmutsvoller Lust. –
So sinken die lieblichen Tage hinab in die Ewigkeit,
So sinkt ein glückliches Leben in die Vergangenheit.
So sinkt getäuschtes Hoffen, es war ein seliger Traum.
Davon wird nimmer gesprochen. Der Klage laß keinen Raum! –
Davon wird nimmer gesprochen, wie glücklich preis ich den Mann,
Der auf das Grab seiner Wünsche dies Kreuzlein setzen kann.
Rudolf von Tavel
Es kommt ein Schiff
Es kommt ein Schiff, geladen
bis an den höchsten Bord.
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewig's Wort.
Das Schiff geht still im Triebe,
trägt eine teure Last;
das Segel ist die Liebe,
der Heilige Geist der Mast.
Der Anker haft' auf Erden,
da ist das Schiff an Land.
Das Wort soll Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.
Zu Bethlehem geboren
im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren;
gelobet muß es sein.
Und wer dies Kind mit Freuden
umfangen, küssen...
Johannes Tauler
Begräbnis
Im Hinterhaus starb ein armes Weib;
Nun kommt man zu bergen den welken Leib,
Der Leichenwagen fährt vor.
Zwei Kinder bleiben voll Neugier stehn,
Das neue, erste Schauspiel zu sehn,
Am zugigen, offenen Tor.
Noch mancher kommt. Eine Menschenschar
Drängt vor dem Haus sich, das Jahr für Jahr
Der Alten Elend barg …
Im Leben ging alles an ihr vorbei!
Nun warten geduldig in dichter Reih'
So viele auf ihren – Sarg.
Gisa Tacchi
Grabschrift
War's dir nicht möglich, Ewiger,
des Lebens und des Sterbens Herr,
mein Flehen zu erhören,
da ich im Staube vor dir rang
und da mein Weinen aufwärts drang
zu deinen Jubelchören?
Was jubelt wohl die Engelschar,
wozu schlägt man die Harfen gar,
als um das große Stöhnen,
das Schreien dieser armen Welt,
den Jammer unterm Himmelszelt
mit List zu übertönen?
Mein Stöhnen war dir nur ein Spott,
du nahmst ihn mir, o Herre Gott,
behalt ihn denn zum Raube;
nun siehe, was dein Zorn mir...
Hermann Sudermann