Lange Zitate (Seite 37)
Es hat einmal ein Tor gesagt,
Daß der Mensch zum Leiden geboren worden;
Seitdem ist dies – Gott sei's geklagt! –
Der Spruch aller gläubigen Toren worden.
Und weil die Menge aus Toren besteht,
Ist die Lust im Lande verschworen worden,
Es ist der Blick des Volkes kurz
Und lang sind seine Ohren worden.
Friedrich Martin von Bodenstedt
Nachklang
Rose der Liebe, in Schuld entsprossen,
in Qual erblüht, mit Thränen begossen,
o laß an Deinem Duft mich berauschen –
die Seligkeit sollt ich um Alltagsglück tauschen?
Ich will kein langes, kein reuloses Glück,
Vollwonne nur einen Augenblick.
Mein heimliches Glück, einer andern geraubt,
mein ist es dennoch, stolz heb ich das Haupt,
von der Sitte verdammt, von der Welt getadelt,
Durch Sünde geächtet, durch Liebe geadelt.
Clara Blüthgen
Die Sehnsuchtsthräne
Bänglich wird mir, und der Minne
Leiden wachen auf in mir; –
Rinne, warmes Thränchen, rinne,
Sieh, noch viele folgen dir.
Warum weilet ihr so lange
An den Augenwimpern mir?
Ist euch zu versiegen bange,
Ach, nicht abgeküßt von ihr?
Rinnet immer, holde Kinder
Meiner Sehnsucht, rinnt herab!
Ach, sonst fließt ihr einst, noch minder
Kußgewärtig auf ihr Grab!
Johann Aloys Blumauer
Wie ist doch die Welt so leise
so als stehe alles still
Menschen begeben sich auf die Reise
nichts mehr ist noch laut, noch schrill
Von Ferne klingen Glockenklänge
friedlich wie ein Lobgesang
niemand fühlt mehr diese Enge
wartet hierauf schon so lang
Die Zeit des Friedens ist gekommen
sei’s auch nur für kurze Zeit
hat die Menschheit mitgenommen
in des Winters Ewigkeit.
Roswitha Bloch
An die Nacht
Düfteschwüle, feuchteschwere,
Rauschende, raunende, sterneleere,
Schwarze, samtene Sommernacht!
Mein Herz lauscht an deines bange,
Nimm von mir, was mich so lange
Müde hat gemacht.
Sieh, ich flüchte mich in deine
Arme, siehe Nacht, ich weine,
Und ich kenne mich nicht mehr.
Stille Mutter, heilige, große,
Sieh mein Haupt in deinem Schooße,
Banger Wehen schwer.
Nimm mich ein in deine Güte,
Hürde mich ein dein Gehüte,
Das der Müden Hafen ist:
Küsse mild mich ins Vergehen,
Die du...
Otto Julius Bierbaum
Klage nicht
Nie beklage dein Verhängnis!
Seiner Wage Schalen hangen
Keine höher, keine tiefer;
Freude wieget gleich dem Bangen.
Jegliche der Menschenfreuden
Ist getränkt von fremden Zähren,
Wie gepflückte Blumen laben,
Aber bald sich abwärts neigen.
Denke liebreich fremder Freuden,
Will dein Leid zu lang dir dauern;
Denke liebreich, lächelt Glück dir,
Daß ein andrer jetzt muß trauern!
Max Beilhack
Im Nachhinein
Still schlug die Uhr die zwölfte Stunde
Als deine Hand die meine fand.
Ein wenig pochte meine Wunde,
Bevor der Reiz mich dir verband.
Die Blicke waren schüchtern, züchtig,
Der Wille brach, bewußt gespielt.
In Lustgerüchen und doch flüchtig
Entstand ein Rausch, der nicht lang hielt.
Der Morgen kam und mit ihm wieder
Verstand, Vernunft und viel Kaffee.
Das Wissen kämpft Gefühle nieder,
Und Pflasterspott bedeckt das Weh.
Es blieb kein Lied, das uns verbindet,
Es...
Margot S. Baumann
Abschied
Sag mir, daß du dich im Föhnwind sehnst
Und daß du trauern würdest,
Wenn ich ginge.
Sag mir, daß diese Tage schön sind
Und daß du weinen wirst,
Wenn ich nicht singe.
Sag mir, daß du dem Leben gut bist.
Sag meiner Stimme,
Daß sie nie verwehe…
Und daß du heiter und voll frohen Mut bist,
Auch wenn ich lange Zeit
Dich nicht mehr sehe.
Sag mir, daß ich ein töricht Kind bin,
Und streichle mich, wie eine junge Meise.
Sag mir, daß ich zu dir zurückfind,
Auch wenn die Nächte dunkel...
Hugo Ball
Der Hahn
Horch, horch!
Der Hahn ist auch schon wach!
So früh, Herr Hahn? Kaum graut der Tag,
da kommt mit stolzen Schritten,
der Hahn einher geschritten.
Und kikriki! Hof ein Hof aus!
Da muss der höchste Ton heraus.
Er kann sich nicht bezwingen,
sein Morgenlied zu singen.
Ja, ja, ich hör es, wackrer Hahn,
du kündest uns den Morgen an
und mahnst uns durch dein Krähen,
fein zeitig aufzustehen.
Du rufst uns zu:
Die Morgenstund, ihr Leute,
die hat Gold im Mund,
steht auf, ihr fleiß´gen...
Jakob Baechtold
Entschlüsse, die dem Augenblick entspringen,
glücken den Frauen, ob auch unbedacht;
der Vorzug zählt zu all den guten Dingen,
damit der Himmel sie so reich bedacht.
Den Männern wird oft guter Plan mißlingen,
ward er mit Überlegung nicht gemacht:
Reiflich Erwägen muß das Handeln lenken;
ein Kopfzerbrechen braucht es, lang Bedenken.
Ludovico Ariosto
Der Soldat
Es geht bei gedämpfter Trommeln Klang;
Wie weit noch die Stätte! der Weg wie lang!
O wär' er zur Ruh' und alles vorbei!
Ich glaub', es bricht mir das Herz entzwei!
Ich hab' in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt!
Bei klingendem Spiele wird paradiert,
Dazu, dazu bin auch ich kommandiert.
Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl;
Nun binden sie ihm die Augen zu -
Dir schenke Gott die ewige Ruh'!
Es haben dann neun wohl...
Hans Christian Andersen