Lange Zitate (Seite 34)
O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit!
Wie sind die Bäume jetzt so starr und breit!
Der Hütte Tür vermocht' ich kaum zu regen,
Da schoß mir Staub und wüst Gebrüll entgegen,
Und an dem blanken Gartensaale drüben,
Da steht 'ne schlanke Maid mit ihrem Lieben,
Die schaun sich lächelnd in der Seele Grund,
In ihren braunen Locken rollt der Wind:
Gott segne dich, du bist geliebt, mein Kind,
Bist fröhlich und gesund!
Annette von Droste-Hülshoff
Neue Horizonte
Aus Angst vor dem Fallen
am Boden lang kriechen.
Nur einsam und heimlich
am Blumenstrauß riechen.
Aus Angst vor dem Echo
den Mund lieber halten.
Nicht merken,
wie Wärme und Liebe erkalten.
Nach Sicherheit streben,
übers Geld günstig walten
und schließlich ein Türchen
nach hinten behalten.
Das spricht für sich selber.
Braucht nicht meine Meinung.
Es bleibt eine
traurige Alltagserscheinung.
Doch nehme ich den Mut in mir
und schaue hinter dieses Tun,
entdecke ich...
Sonja Drechsel-Walther
Die stille Stadt
Liegt eine Stadt im Tale,
ein blasser Tag vergeht;
es wird nicht lange dauern mehr,
bis weder Mond noch Sterne,
nur Nacht am Himmel steht.
Von allen Bergen drücken
Nebel auf die Stadt;
es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus,
kein Laut aus ihrem Rauch heraus,
kaum Türme noch und Brücken.
Doch als den Wandrer graute,
da ging ein Lichtlein an im Grund,
und durch den Rauch und Nebel
begann ein leiser Lobgesang
aus Kindermund.
Richard Fedor Leopold Dehmel
Leises Lied
In einem stillen Garten,
an eines Brunnens Schacht,
wie wollt ich gerne warten
die lange graue Nacht.
Viel helle Lilien blühen
um des Brunnens Schlund;
drin schwimmen golden die Sterne,
drin badet sich der Mond.
Und wie in den Brunnen schimmern
die lieben Sterne hinein,
glänzt mir im Herzen immer
deiner lieben Augen Schein.
Die Sterne doch am Himmel,
die stehn uns all so fern;
in deinem stillen Garten
stünd' ich jetzt so gern.
Richard Fedor Leopold Dehmel
An einen berühmten Mann
Dir ist so vieles gelungen,
Wonach ich im Leben gestrebt;
Du hat das Schicksal bezwungen,
Vor dem so mancher erbebt.
Mein Name ist lange verklungen,
Wenn deiner in Ehren noch lebt. –
Und doch hab' ich Bessres errungen:
Ich habe ein Leben gelebt.
Georg Jacob Friedrich Paulus Hermann Dechent
Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid
Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid,
Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit.
Streicht die Sehnsucht um das Haus,
Trocknen die plaudernden Brunnen aus;
Die Tage kommen wie Tiere daher,
Du rufst ihre Namen, sie atmen nur schwer;
Du suchst dich im Spiegel, der Spiegel ist leer,
Hörst nur der Sehnsucht Schritt,
Du selbst bist nicht mehr.
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Ein kahler Stein nackt wie ein Knochen
Liegt grinsend auf des Baches Grund,
Die Wasser ziehn ununterbrochen,
Bereden ihn mit schnellem Mund.
Er wird zum Antlitz blaß und düster,
Sieht zu mir auf von Schmerz gespannt,
Der Wellen unnützes Geflüster
Hat einen Namen mir genannt.
Ein tot Gesicht als Stein noch wartet
Auf das was einst mein Mund versprach;
Das Leben hat mit uns gekartet,
Mein Fleisch war stark, der Wille schwach.
Viel Schritte haben sich verloren,
Der Weg ist lang, der Weg ist...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Und bin der Ärmste von der Welt
Ach, nur die Lieder unserer Stunden,
Leg ich als den Entgelt dir hin
Für deine Lieb', der täglich wieder
Ich neue Lieder schuldig bin.
Ich bin der Reichste von den Reichen,
So lang es deinem Blut gefällt
Und kann die Schuld doch nie begleichen,
Und bin der Ärmste von der Welt,
Wenn mal mein Tag kein Lied enthält.
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Vorfrühling
Wir standen heute still am Zaun von einem fremden Garten,
Sah'n hin und sah'n das Wintergras am Teich auf Sonne warten.
Im Wasser lag verjährtes Laub gleichwie auf Glas,
Am Ufer saß ein Büschel Veilchen jung erblüht im gelben Gras,
Und frisches Lilienkraut wuchs grün bei Tuffsteinblöcken,
Am Himmel oben gingen Wolken jugendlich in weißen Röcken.
Wie wenig Welt tut schon den Augen gut!
Nur ein paar Atemzüge lang hat's Herz dort ausgeruht,
Nur ein paar Augenblicke tat es säumen...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Desselben Weges wandern wir
Langsam und spät stieg ich empor,
nun steh ich hoch und frage:
"Bin wohl auch ich ein Meteor
am Himmel deiner Tage?
Läßt mich das Schicksal vor der Zeit
dir im Zenith verschwinden?
Spannt sich der Horizont uns weit,
bis Nacht und Tod mich finden?"
Du blickst mich an und streichelst mir
liebkosend Wang' und Haare:
"Desselben Weges wandern wir,
ob kurz, ob lang, zur Bahre."
Therese Dahn
Annalein und der Gukuk
Schön Anna ging im Buchenhang,
Den Gukuk hört sie schrein:
"Mein lieber Gukuk, sag wie lang
muß ich noch ledig sein?"
Horch, Gukuk, einmal – zweimal – drei –
Gott sei Dank, drei Jahr noch frei,
Gukuk – viermal – Gottes Segen,
Noch ein Jahr zum Überlegen!
Horch – Gukuk – fünfmal – meinetwegen –
Wahre Lieb tut spät sich regen.
Und Gukuk – sechsmal – liebe Zeit!
Mir tun die armen Freier leid.
Gukuk – Gukuk – sieben – acht –
Lieber Vogel gib fein acht!!
Neunmal Gukuk –...
Felix Dahn
Mit einem Stück Bernstein
Eine schöne, goldne Mücke,
– Keine schöner, keine goldner,
Hatte jemals Gott geschaffen! –
Schwebte auf den lichten Flügeln
Um der dunklen Tanne Stamm.
Da, aus tiefer Wunde quillend,
Edelharz brach aus der Rinde,
Und ein flüss'ger klarer Tropfen
Schloß die schöne Mücke ein.
Klage nicht, o Mücke! Lange
Wärst du selbst und deine Schöne
Schon verstoben und vergessen:
Doch das Edelharz der Wunde, –
Unvergänglich dich erhalten
Hat es für Jahrtausende.
So mag eines Weibes...
Felix Dahn
An Frau D.
Du hast gewogentlich erlaubt,
Daß an dein kluges, holdes Haupt
Ich Huld'gungsgrüße richte
– Geziemlich – im Gedichte.
Jedoch, was kann ich neu dir sagen?
Du weißt es lange – sonder Fragen –
Daß du bist anmutvoll und gütig
Und ein klein wenig übermütig:
Das andre schildre dir dein Mann,
Der all das besser wissen kann.
Felix Dahn