Klug Zitate (Seite 4)
Zeitung
Allein das liebe Publikum
Ist nun mal so daran gewöhnt,
Als ob ein Evangelium
Ihm aus der Zeitung Spalten tönt;
Als ob daraus sich jeder hole
Die litterarische Parole.
Man wagt kein Urteil im Salon,
Bevor nicht über das Problema
Hier Segen sprach das Feuilleton,
Dort ein vernichtend Anathema.
Dann aber weiß man schon genug
Von neu erschienenem Romane;
Und vom Theater spricht man klug
Und schwört zu seines Blättchens Fahne.
Julius Wolff
Ein rechter Geck ist mehr, als mancher Schulfuchs, wert,
Und man lernt mehr von ihm, als auf der hohen Schule;
Der hustet Wort' und schwitzt vor Weisheit in dem Stuhle,
Weil jener, wenn er tanzt, singt, lachet, spricht und schwört,
Verkehrt, was ansteht, zeigt. Die Weisheit dort besteht
In vielen Worten, hier in einem krausen Zug:
Dort lernt man sich zum Narr'n, hier lachet man sich klug.
Christian Wernike
Nähr dich, o Mensch, verständig
Fettbildner sind, das merke:
Fett, Zuckerstoff und Stärke;
Blutbildner sind im ganzen
Die Proteinsubstanzen…
Daß Knochen sich erneuern,
Bedarfst du Alk und Säuren;
D'rum mische klug und weise
Dergleichen in die Speise.
Und also iß und lebe,
Ersetzend dein Gewebe,
Und denk in allen Fällen:
Wie bild ich neue Zellen?
Johannes Trojan
Im Walde
Hier an der Bergeshalde
Verstummet ganz der Wind;
Die Zweige hängen nieder;
Darunter sitzt das Kind.
Sie sitzt im Thymiane,
Sie sitzt in lauter Duft;
Die blauen Fliegen summen
Und blitzen durch die Luft.
Es steht der Wald so schweigend,
Sie schaut so klug darein;
Um ihre braunen Locken
Hinfließt der Sonnenschein.
Der Kuckuck lacht von ferne,
Es geht mir durch den Sinn:
Sie hat die goldnen Augen
Der Waldeskönigin.
Theodor Storm
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Friedrich Rückert
Zwölf Freier
Zwölf Freier möcht' ich haben, dann hätt' ich genug,
Wenn alle schön wären und alle nicht klug.
Einen, um vor mir herzulaufen,
Einen, um hinter mir drein zu schnaufen;
Einen, um mir Spaß zu machen,
Und einen, um darüber zu lachen;
Einen traurigen, den wollt' ich schon fröhlich herzen,
Einen lustigen, ich wollt' ihm vertreiben das Scherzen.
Einem, dem reicht' ich die rechte Hand,
Einem, dem gäb' ich die linke zum Pfand;
Einem, dem schenkt' ich ein freundlich Nicken,
Einem, dem...
Friedrich Rückert
Die Brüder
Der Weekend traf den Weekbeginn:
»Guten Morgen!«
»Guten Abend!«
Sie mochten sich anfangs nicht leiden,
Und immer hatte von beiden
Der eine ein unrasiertes Kinn.
Trotz dieser trennenden Kleinigkeit
Lernten sie doch dann sich leiden
Und gingen klug und bescheiden
Abwechselnd durch die Zeit.
Und gaben einander Kraft und Mut
Und schließlich waren die beiden
Nicht mehr zu unterscheiden.
Und so ist das gut.
Joachim Ringelnatz
er wollte nie
er wollte sich nie
in die herzen graben
ein flacher, klarer abdruck
war ihm tief genug
er wollte sich nie
in die herzen wühlen
in seinen augen
off'ner selbstbetrug
er wollte nie, daß
and're mit ihm fühlen
um die gefahr zu wissen
war er klug genug
nie konnte er
ein fremdes herz
zum feinde haben
sein eig'nes leben war es
das ihm kerben schlug
Wolfgang J. Reus
Der Wissende
Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
vergißt den Ernst
des Irdischen
aus Überernst
und lächelt nur.
Ein Spiel bedünkt
ihn nun die Welt,
ein Spiel er selbst
und all sein Tun.
Wohl läßt er's nicht
und spielt es fort
und treibt es zart
und klug und kühn –
doch lüftet ihr
die Maske ihm:
er blickt euch an
und lächelt nur.
Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
verachtet stumm
der Erde Weh,
der Erde Lust,
und lächelt nur.
Christian Morgenstern
Der Purzelbaum
Ein Purzelbaum trat vor mich hin
und sagte: "Du nur siehst mich
und weißt, was für ein Baum ich bin:
Ich schieße nicht, man schießt mich.
Und trag' ich Frucht? Ich glaube kaum;
auch bin ich nicht verwurzelt.
Ich bin nur noch ein Purzeltraum,
sobald ich hingepurzelt."
Jenun, so sprach ich, bester Schatz,
du bist doch klug und siehst uns;-
nun, auch für uns besteht der Satz:
wir schießen nicht, es schießt uns.
Auch Wurzeln treibt man nicht so bald,
und Früchte nun erst recht...
Christian Morgenstern
Ich war im Garten, wo sie all die Tiere
Gefangen halten; glücklich schienen viele,
in heitern Zwingern treibend muntre Spiele.
Doch andre hatten Augen, tote, stiere!
Ein Silberfuchs, ein wunderzierlich Wesen,
Besah mich unentwegt mit stillen Blicken;
Er schien so klug sich in sein Los zu schicken;
Doch konnte ich in seinem Innern lesen.
Und andre sah ich mit verwandten Mienen,
Und andre rastlos hinter starren …
Von wunder Liebe fühlt' ich mich erzittern,
Und meine Seele wurde eins mit ihnen.
Christian Morgenstern
Rat für Mucker
Sprich Wahrheit nicht frei in's Gesicht, –
Du wirst vehöhnt;
Verkleid' es hold mit Flittergold, –
Man wird versöhnt.
Es sei Dein Wort an jedem Ort
Demütiglich;
mach' dir zur Pflicht: Schweig! – muckse nicht;
Stets bücke Dich!
Bist Du nur klug, hast Witz genug, –
Dann steigst Du flugs;
Um groß zu sein, trag' frommen Schein;
Doch – bleib ein Fuchs!
Heinrich Martin