Herzen Zitate (Seite 19)
Weihnachten
Weißer Flöckchen Schwebefall,
Stille Klarheit überall,
Glockenklang und Schellenklingen,
Mäulchen, die vom Christkind singen,
Flammen, die von grünen Zweigen
Gläubig, strahlend aufwärts steigen,
Und im tiefsten Herzen drinnen
Ein Erinnern, ein Besinnen …
Neige dich, mein Herz, und bete,
Daß das Christkind zu dir trete,
Auch in deiner Schwachheit Gründen
Eine Flamme zu entzünden,
Die das Ringen Deiner Tage
Gläubig strahlend aufwärts trage.
Anna Ritter
Privat-Telegramm
Unsere Kasse darf leer sein.
Doch dein Herz darf nicht schwer sein.
Jedes entschlüpfte harte Wort
Von mir, – streichle du sofort!
Und rate mir in gleichem Sinn!
Jedes Schmollschweigen tobt ohne Sinn
Hetzerisch durch die Brust.
Ärger ist stets Verlust,
Und Verzeihung ist immer Gewinn.
Unserer beider Herzen mögen schwer sein
Durch gemeinsames Mißgeschick.
Aber keine Stunde zwischen uns darf liebeleer sein.
Denn ich liebe dich durch Dünn und Dick.
Joachim Ringelnatz
Woher sie kam, wohin sie ging,
Das hab ich nie erfahren.
Sie war ein namenloses Ding
Von etwa sechzehn Jahren.
Sie küsste selten ungestüm,
Dann duftete es wie Parfüm
Aus ihren keuschen Haaren.
Wir spielten nur, wir scherzten nur:
Wir haben nie gesündigt,
Sie leistete mir jeden Schwur
Und floh dann ungekündigt.
Entfloh mit meiner goldnen Uhr.
Am selben Tag, da ich erfuhr,
Man habe mich entmündigt.
Verschwunden war mein Siegelring
Beim Spielen oder Scherzen.
Sie war ein zarter...
Joachim Ringelnatz
Lieben
Ob du's noch denkst, daß ich dir Äpfel brachte
und dir das Goldhaar glattstrich leis und lind?
Weißt du, das war, als ich noch gerne lachte,
und du warst damals noch ein Kind.
Dann ward ich ernst. In meinem Herzen brannte
ein junges Hoffen und ein alter Gram ...
Zur Zeit, als einmal dir die Gouvernante
den ›Werther‹ aus den Händen nahm.
Der Frühling rief. Ich küßte dir die Wangen,
dein Auge sah mich groß und selig an.
Das war ein Sonntag. Ferne Glocken klangen,
und Lichter gingen durch...
Rainer Maria Rilke
Wenn die Uhren so nah
wie eigene Herzen schlagen,
und die Dinge mit zagen
Stimmen sich fragen:
Bist du da? – :
Dann bin ich nicht der, der am Morgen erwacht,
einen Namen schenkt mir die Nacht,
den keiner, den ich am Tage sprach,
ohne tiefes Fürchten erführe –
Jede Türe
in mir gibt nach...
Und da weiß ich, daß nicht vergeht,
keine Geste und kein Gebet
(dazu sind die Dinge zu schwer) –
meine ganze Kindheit steht
immer im mich her.
Niemals bin ich allein.
Viele, die vor mir lebten
und fort von...
Rainer Maria Rilke
Letzter Abend
Und Nacht und fernes Fahren; denn der Train
Des ganzen Heeres zog am Park vorüber.
Er aber hob den Blick vom Clavecin
Und spielte noch und sah zu ihr hinüber
Beinah, wie man in einen Spiegel schaut:
So sehr erfüllt von seinen jungen Zügen
Und wissend, wie sie seine Trauer trügen,
Schön und verführender bei jedem Laut.
Doch plötzlich wars, als ob sich das verwische:
Sie stand wie mühsam in der Fensternische
Und hielt des Herzens drängendes Geklopf.
Sein Spiel gab nach. Von...
Rainer Maria Rilke
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Rainer Maria Rilke
Geduld
Und ich möchte dich
so gut ich kann bitten,
Geduld zu haben gegen alles Ungelöste
in deinem Herzen,
und zu verstehen.
Die Fragen selbst lieb zu haben
wie verschlossene Stuben.
Und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach Antworten,
die dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben könntest.
Und es handelt sich darum
alles zu leben.
Vielleicht lebst du dann
allmählich – ohne es zu merken –
in deine Antworten hinein.
Rainer Maria Rilke
Stimme eines jungen Bruders
Ich verrinne, ich verrinne
wie Sand, der durch Finger rinnt.
Ich habe auf einmal so viele Sinne,
die alle anders durstig sind.
Ich fühle mich an hundert Stellen
schwellen und schmerzen.
Aber am meisten mitten im Herzen.
Ich möchte sterben. Laß mich allein.
Ich glaube, es wird mir gelingen,
so bange zu sein,
daß mir die Pulse zerspringen.
Rainer Maria Rilke
Der Zufriedene
Zwar schuf das Glück hienieden
Mich weder reich noch groß,
Allein ich bin zufrieden,
Wie mit dem schönsten Los.
So ganz nach meinem Herzen
Ward mir ein Freund vergönnt,
Denn Küssen, Trinken, Scherzen
Ist auch sein Element.
Mit ihm wird froh und weise
manch Fläschchen ausgeleert!
Denn auf der Lebensreise
ist Wein das beste Pferd.
Wenn mir bei diesem Lose
Nun auch ein trüb'res fällt,
So denk' ich: keine Rose
Blüht dornlos in der Welt.
Christian Ludwig Reissig
Im Frühling
Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Vögelein;
Sie heben ihr leicht Gefieder
Und singen so fröhliche Lieder
In den blauen Himmel hinein.
Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Flüss' und Seen;
Sie malen in klarem Spiegel
Die Gärten und Städt' und Hügel
Und die Wolken, die drüber gehn.
Und Sänger und Maler wissen es,
Und es wissen's viel andere Leut'.
Und wer's nicht malt, der singt es,
Und wer's nicht singt, dem klingt es
In dem Herzen vor...
Robert Reinick
Wunsch
Ich hab' Dich geliebt, Du ahntest es nicht;
Ich wollte sprechen, ich durft' es nicht,
Ich harrete besserer Stunden.
Die besseren Stunden, ich fand sie nicht;
Ein anderer kam, er zögerte nicht,
Ich bin Deinem Herzen entschwunden.
Wohl mag er Dich lieben, ich weiß es nicht;
Ob treuer als ich, ich glaub' es nicht.
O, hättest Dein Glück Du gefunden!
Robert Reinick