Herz Zitate (Seite 73)
Freue dich, o Seelenvogel,
Lasse deine Jubel schallen,
Daß du in der Rose zarte,
Liebe, süße Haft gefallen!
Nicht in eines Vogelstellers
Rohe Netze wirst du sinken,
Nicht ergriffen wirst du werden
Mörderisch von Räuberkrallen.
Zwar es hat der Dorn der Rose
Tief genug dein Herz verwundet,
Und so wirst du dich verbluten
Und hinab zu Grabe wallen.
Doch der Tod, der dich erwartet,
Ist der schönste Tod von allen;
Sterben wirst du nach dem edlen
Sterbebrauch der Nachtigallen.
Georg Friedrich Daumer
Fort mit dem Ich
Fort mit dem Ich und seiner Kraft,
Gebeut die Liebe, fort damit!
Vor jenem Auge ziemet ihm
Daß es verstiebe; fort damit!
Nein, geize nach der Ehre nicht
Dir selber ewig gleich zu sein;
Wo ferne nur ein Schein davon
Zurückebliebe, fort damit!
Sich aufzulösen ist so schön
In ungemeßner Leidenschaft,
Und deiner Ichheit stolze Pracht
So trist und trübe; fort damit!
Zu Asche brenn' ein liebend Herz,
Und in die Lüfte streu's der Wind,
Beweisend aller Welt, wie groß
Die Macht der...
Georg Friedrich Daumer
Wunsch für ihn (1870)
Gedulde dich! Es kommt der Tag,
da wird es dir gewähret,
Was du mit jedem Herzensschlag,
so überheiß begehret.
Dir funkelt's aus dem Adlerblick,
dir sprüht's um Haupt und Rechte
Du gehrst nach blut'gem Kampfgeschick
todbringender Gefechte.
Und brichst du dann, du stolzes Herz,
sollst du noch einmal fassen
Des Lebens Lust: - doch sonder Schmerz
um das, was du mußt lassen.
Therese Dahn
Zu dir
Und fällt ein Reif auf all' mein Wagen,
Und seufzt ein angsterfülltes Fragen
In mir:
Und schüttelt Schmerz mir wild die Glieder, -
Trägt's mich doch hoch auf Sturmgefieder
Zum Licht!
Mein mut'ger Stolz lernt nicht verzagen,
Mein heißes Herz wird nie entsagen,
Bis daß es bricht:
Ich singe deine Zauberlieder:
Vor allen ZweifelN flücht' ich wieder
Zu dir!
Therese Dahn
Lebensdrang
Zerre nicht ferner am bergenden Schleier,
Hüllt sich in Dunkel doch ewiges Sein!
Ladet das Leben zur bunten Feier,
Thörichtes Herz, uns nicht lockend ein?
Heija! erschließen dem werbenden Rausche
Will ich Gedanken und alles, was mein:
Nimm mich dahin im heiligen Tausche,
Schönste Wahrheit ist: Mensch zu sein.
Therese Dahn
Weheschrei
Ich kann nicht mehr! Kann nicht mehr ringen
Mit mir, mit Schicksal, Gott und Welt.
Dies totgequälte Herz will springen:
Zu stark die Sturmflut, die es schwellt.
O hätt' ich einen Freund! nur einen!
Er sollte mir ja helfen nicht:
Möcht' nur an einem Herzen weinen
Noch einmal, eh' das meine bricht.
Felix Dahn
Spruch bei Annahme des roten Kreuzes
(Anfang August 1870)
Vergiß dich selbst, dein Glück, dein Leid,
Sei gegen Grau'n und Furcht gefeit, –
In Kampf und Schreck ein Held von Erz, –
Dem Schmerz ein Balsam sei dein Herz, –
Sei still und stark im Schlachtgedröhn
Und stirbst du so, so stirbst du schön.
Felix Dahn
Gebet um Liebe
O ew'ge Liebe, heil'ge mich
Mit deinen sanften Gluten,
In meine Seele senke dich,
Wenn meine Wunden bluten!
Wenn ich aus dieser wüsten Welt
Nach Licht und Rettung spähe,
Ist nichts, was meine Hoffnung hält,
Als deine sel'ge Nähe!
O halte mich in deinem Arm,
Mir graut vor dem Erkalten,
Und mach' das Herz mir hell und warm
Bis in die tiefsten Falten.
Mit deiner Glut verzehre mich,
In dir laß mich vergehen,
Ich will nicht mich, ich will nur dich,
In dir nur auferstehen!
Du wirst...
Ernst Curtius
Herzenssünden
Ich sprach zur Taube: Flieg' und bring im Schnabel
Das Kraut mir heim, das Liebesmacht verleiht;
Am Ganges blüht's, im alten Land der Fabel.
Die Taube sprach: Es ist zu weit.
Ich sprach zum Adler: Spanne dein Gefieder,
Und für das Herz das kalt sich mir entzog,
Hol einen Funken mir vom Himmel nieder,
Der Adler sprach: Es ist zu hoch.
Da sprach zum Geier ich: Reiß aus dem Herzen
Den Namen mir, der drin gegraben steht,
Vergessen will ich lernen und verschmerzen.
Der Geier sprach:...
François Coppée
Die Mutter bei der Wiege
Schlaf, süßer Knabe, süß und mild!
Du deines Vaters Ebenbild!
Das bist du; zwar dein Vater spricht,
Du habest seine Nase nicht.
Nur eben itzo war er hier
Und sah dir ins Gesicht,
Und sprach: »Viel hat er zwar von mir,
Doch meine Nase nicht.«
Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein,
Doch muß es seine Nase sein;
Denn wenn's nicht seine Nase wär,
Wo hättest du denn die Nase her?
Schlaf, Knabe, was dein Vater spricht,
Spricht er wohl nur im...
Matthias Claudius
Die Sterne
Ich sehe oft um Mitternacht,
wenn ich mein Werk getan
und niemand mehr im Hause wacht,
die Stern' am Himmel an.
Sie gehn da, hin und her zerstreut,
als Lämmer auf der Flur;
in Rudeln auch und aufgereiht
wie Perlen an der Schnur;
und funkeln alle weit und breit,
und funkeln rein und schön;
ich seh die große Herrlichkeit
und kann mich satt nicht sehn,
dann saget unterm Himmelszelt
mein Herz mir in der Brust:
"Es gibt was Bess'res in der Welt,
als all ihr Schmerz und...
Matthias Claudius