Herz Zitate (Seite 71)
Die Unbesungenen
'S gibt Gräber, wo die Klage schweigt,
Und nur das Herz von innen blutet,
Kein Tropfen in die Wimpern steigt,
Und doch die Lava drinnen flutet;
'S gibt Gräber. die wie Mitternacht
An unserm Horizonte stehn,
Und alles Leben niederhalten,
Und doch, wenn Abendrot erwacht,
Mit ihren goldnen Flügeln wehn,
Wie milde Seraphimgestalten.
Zu heilig sind sie für das Lied,
Und mächt'ge Redner doch vor allen,
Sie nennen dir, was nimmer schied,
Was nie und nimmer kann zerfallen;
O, wenn...
Annette von Droste-Hülshoff
Geheimnis
Was an Liebe du erfahren,
Trage tief in deiner Brust,
Wo es keiner mag gewahren,
Keinem außer dir bewußt.
Sieh der Berg, im Felsenherzen,
Wie er alles wohl versteckt,
Was sein Schacht an edlen Erzen
Und Gesteinen je bedeckt.
Sieh die Perlen wie Gedanken
Schlafen wie im Muschelhaus,
Das sie innen ganz durchranken,
Niemals treten sie heraus.
Und dein eignes Herz, der Riese
An Gefühlen und an Glut,
Sieh, wie es im Paradiese
Deiner Brust verborgen ruht.
Also deine Liebe wahre
Tief in...
Karl Ferdinand Dräxler-Manfred
Wohl manch Gebet klopft an des Himmels Pforte,
Das keinen Einlaß kann am Tor bekommen:
Weil allen Erdenwust es mitgenommen,
Um zu erscheinen vor dem höchsten Horte.
Wohl ist schon oft an einem stillen Orte
In einer Seele wie ein Blitz erglommen
Ein Lichtgedanke, heil'ger als der Frommen
Gebete und der Priester heil'ge Worte.
Das Beten ist nicht eine ird'sche Bitte,
Es holt nicht erst, es trägt in sich den Segen;
Das Beten ist nicht eine fromme Sitte:
Das Beten ist der Seele freies Regen,
Die...
Karl Ferdinand Dräxler-Manfred
O mach mich mild! Gib mir für fremden Schmerz
Ein göttlich Neigen und ein warm Erkennen;
Und laß um ein zertretnes Menschenherz
In meinem Herzen tausend Wunden brennen.
Gib meinem Ringen nur das fromme Glück,
In jedem Dunkel deinen Stern zu sehen;
Und laß mich still mit weichem Kindesblick
Durch eine Welt der Nacht und Sünde gehen.
Doch sieht die Schuld mich hilfeflehend an
Und windet sich, von Reuequal zerrissen,
So gib, daß ich die goldne Binde dann
Mit Freuden tausche um ein heilig...
Hedwig Dransfeld
Du weißt es nicht
Du weißt es nicht, wie wohl es tut,
Wenn Deine feste, kühle Hand,
Die mir so manche Qual gebannt,
In meiner ruht.
Dann ist's, als ob versiegen wollt'
Der Glutstrom, der mein Herz durchrollt,
Dann naht so selig kühl,
Starkflutend, ein Gefühl,
Als könnt' auch ich auf Erden
Noch einmal friedlich werden,
Als könnt' ich überwinden
Und jene Stätte finden,
Auf der mir sternenweit
Die Lust und auch das Leid.
Felix Dörmann
Verzeiht
Hab' ich Euch gekränkt, beleidigt,
Zugefügt Euch herbes Leid,
O verzeiht!
Ach die namenlosen Schmerzen,
Die da fressen tief im Herzen,
Machen böse oft mein Wort;
Bitter fliegt's und höhnend fort,
Trifft vielleicht Euch in die Seele,
Macht Euch herbe Qual,
Während schon mein Herz bereute
Tausendmal.
Felix Dörmann
Reinigung
Und als Du leise mich geküßt
Und Dich mir angeschmiegt,
War mir's, als ob ich weinen müßt' –
Mein Lieb, Du hast gesiegt.
Der brandigen Gedanken Heer
Vertrieb Dein junger Mut,
Mein ganzes Herz begierdeleer
In Deinen Händen ruht.
O hab' mich lieb und bleib' bei mir
Und mach' mich ganz gesund,
Zeitlebens will ich's danken Dir
Aus tiefstem Herzengrund.
Felix Dörmann
Abschied
Nur den Abschied schnell genommen,
Nicht gezaudert, nicht geklagt,
Schneller als die Thränen kommen,
Losgerissen, unverzagt.
Aus den Armen losgewunden,
Wie dir's in der Brust auch brennt,
Was im Leben sich gefunden,
Wird im Leben auch getrennt.
Sollst du tragen, mußt du tragen,
Trage nur mit festem Sinn,
Deine Seufzer, deine Klagen
Wehen in die Lüfte hin.
Soll der Schmerz nicht dich bezwingen,
So bezwinge du den Schmerz,
Und verwelkte Blüthen schlingen
Frisch sich um dein wundes Herz.
Johann Ludwig Deinhardstein
Erfüllung
Daß du auch an meinem Herzen,
Herz, nur neue Sehnsucht fühlst
und dich in vergangne Schmerzen
schmerzlicher als je verwühlst:
ist das nicht Erfüllung. Du?
Wenn die Erde schmilzt vom Eise,
daß die Luft nach Frühling schmeckt,
und in immer neuer Weise
wild ihr Grün zum Himmel reckt:
ist das nicht Erfüllung, Du?
Wenn wir dann noch Ostern feiern,
weil ein Mensch sein Leben ließ,
der den Frevlern wie Kasteiern
gleiche Seligkeit verhieß:
ist das nicht Erfüllung, Du?
Laß die tragische...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Ich hab dich selig gemacht,
mein Geliebter,
und du mich, du bist mein,
und darfst nicht bei mir sein
in meinen furchtbaren Schmerzen.
Bis in Mark und Bein
bin ich dein,
und darf nicht nach dir schrein
vor den Menschen,
wenn ich sterben muß
ohne deinen Kuß.
Nein nein nein:
du hast mich selig gemacht,
Tag und Nacht
fühl' ich mich an deinem Herzen
leben, das an mein Herz schlug!
Ja, ich fühl's, ich bleibe leben,
hab dir noch so viel zu geben,
o mein Leben,
gab dir nie, noch nie genug!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Nächtliche Scheu
Zaghaft vom Gewölk ins Land
fließt des Lichtes Flut
aus des Mondes bleicher Hand,
dämpft mir alle Glut.
Ein verirrter Schimmer schwebt
durch den Wald zum Fluß,
und das dunkle Wasser bebt
unter seinem Kuß.
Hörst du, Herz? Die Welle lallt:
küsse, küsse mich!
Und mit zaghafter Gewalt,
Mädchen, küsse ich dich.
Richard Fedor Leopold Dehmel
Die Illusion
Was ist die Freude, das Glück, das Leben
ohne den Traum von Hoffnung und von Ruhm!
Eine Straße, endlos, öd, uneben:
immer müder wird dein Pilgertum.
Gieb mir Melodieen – oh, nur eine:
wiege das Herz in Träume, wenn es schreit!
und dir wachsen ewige Marmorsteine
aus der Asche der Vergangenheit.
Hoffnung! Ruhm! was soll ich mich beklagen;
ein Diadem zieht strahlend vor mir her.
Was tut’s, ein Leben wie ein Bettler tragen,
wenn man stirbt wie Pindar und Homer!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Sommerabend
Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur;
fern dampft der See, das hohe Röhricht schimmert
im Schilf verglüht die letzte Sonnenspur;
ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert.
Vom Wiesengrunde naht ein Glockenton;
ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde,
im stillen Walde steht die Dämm'rung schon,
der Hirte sammelt seine satte Herde.
Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm,
die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden;
nur noch die Grillen geigen ihren Psalm.
So sei...
Richard Fedor Leopold Dehmel