Gets Zitate (Seite 2)
Stell Dir vor
auf der Eisenbahnstrecke Wien-Paris
liegt
an den Schienen
eng aneinandergepreßt
ein Mensch neben dem anderen
den Kopf auf der Schiene
und am anderen Schienenstrang
liegt ebenfalls
eng aneinandergepreßt
ein Mensch neben dem anderen
den Kopf auf der Schiene
und stell Dir vor
Du sitzt im Zug
und fährst
von Wien nach Paris
und unter Dir über den Schienen
die Köpfe der Leute
Du fährst fünfzehn Stunden
und jede Sekunde
überrollt der Zug
ein paar Köpfe
von Wien bis...
Gerald Dunkl
Ein falsches Lob rührt schneller als der Blitz,
Glückselig, wer hierzu die Ohren nie gelenket:
Was stürzt den Menschen wohl in größern Aberwitz,
Als wenn er von sich selbst zu vorteilhaftig denket,
Die Eigenliebe ist die lächerlichste Liebe,
Und dennoch ist nichts so gemein:
Man mag so reich und mächtig sein,
Wenn mancher noch so schlecht, noch so erbärmlich schriebe,
So ist doch jeder mit dem Witz, den er zu haben scheint, zufrieden
Und mißvergnüget mit dem Stand, wozu der Himmel ihn...
Madame Antoinette du Ligier de La Garde Deshoulières
An Dich
Was fruchtet's, daß in schmerzlichen Entwürfen
dir Tag um Tag scheu wie ein Dieb entschleicht!
Aus jedem goldnen Becher sollst du schlürfen
den Trank, den jede goldne Stunde reicht;
denn jede Blüte, die du nicht gebrochen,
und jeder ungehörte Saitenklang
und jedes Glück, das du nicht ausgesprochen,
fällt als ein Tropfen Reue in den Trank.
Und was vergangen ist, das sei vergangen!
Der neue Tag führt neues Licht herauf.
Tot sind die Lieder, die noch gestern klangen.
Was kümmert's dich?...
Walter Calé
Der Kobold
In einem Häuschen, sozusagen –
(Den ersten Stock bewohnt der Magen) –
In einem Häuschen war's nicht richtig.
Darinnen spukt und tobte tüchtig
Ein Kobold, wie ein wildes Bübchen,
Vom Keller bis zum Oberstübchen.
Fürwahr, es war ein bös Getös.
Der Hausherr wird zuletzt nervös,
Und als ein desperater Mann
Steckt er kurzweg sein Häuschen an
Und baut ein Haus sich anderswo
Und meint, da ging es ihm nicht so.
Allein, da sieht er sich betrogen.
Der Kobold ist mit umgezogen
Und macht...
Wilhelm Busch
Liebe ohne Heimat
Meine Liebe, lange wie die Taube
Von dem Falken hin und her gescheucht,
Wähnte froh, sie hab' ihr Nest erreicht
In den Zweigen einer Götterlaube.
Armes Täubchen! Hart getäuschter Glaube!
Herbes Schicksal, dem kein andres gleicht!
Ihre Heimat, kaum dem Blick gezeigt,
Wurde schnell dem Wetterstrahl zum Raube.
Ach, nun irrt sie wieder hin und her!
Zwischen Erd' und Himmel schwebt die Arme,
Sonder Ziel für ihres Flugs Beschwer.
Denn ein Herz, das ihrer sich erbarme,
Wo sie noch...
Gottfried August Bürger
Nachhall
»Siebenfacher Widerhall
Springt von jenen Felstenstürzen,«
Sprach der Führer, »prüft einmal,
's mag den öden Weg uns kürzen.«
Meinen Namen warf ich hin
An die grau getürmten Wände,
Ob er sich verlöre drin,
Oder seinen Rückweg fände.
Und er kehrte, erst voll Kraft,
Dann auf immer leisern Schwingen,
Um allmählich geisterhaft
In den Höhen auszuklingen.
Jakob Boßhart
Verbotene Freundschaft
Weißt du,
solche Beziehungen,
in denen man sich mag,
sich aber nicht mögen darf,
sind fatal.
Du richtest deine Gefühle hin,
weil du nach
"moralischen" Gesetzen lebst,
die scheinbar
von unehrlichen oder
furchtbar langweiligen Leuten
verabschiedet wurden.
Es sind keine Naturgesetze.
Weißt du,
solche Beziehungen
tun mir weh,
weil ich gefühlsmäßig illegal lebe.
Viel zu oft
werden meine Gefühle
von anderen getötet.
Da will ich wenigstens
nicht noch selbst
ihr Henker sein.
Kristiane Allert-Wybranietz
Du hast den Menschen als König der Tiere bezeichnet – ich aber würde sagen: König der Raubtiere, unter denen du das größte bist; denn hast du sie nicht getötet, damit sie dir zur Gaumenbefriedigung dienen, wodurch du dich zum Grabe aller Tiere machst? Erzeugt denn die Natur nicht genug Vegetabilien, mit denen du dich sättigen kannst?
Leonardo da Vinci
Die lebenslang trotzig verteidigte Unerschrockenheit des Glaubenslosen kann im Tod noch erschüttert werden, wenn es ihn zur Überlegung treibt: Wie oft im Leben habe ich mich geirrt, auch wenn mir alles klar und eindeutig erschien. Könnte ich mich nicht über die Religion getäuscht haben? Doch dies zu untersuchen fehlt mir nun Zeit und Kraft, ich sterbe…
Luc de Clapiers Vauvenargues