Fenster Zitate (Seite 3)
Vorgefühl
Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer.
Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein
in dem großen Sturm.
Rainer Maria Rilke
Altbauidylle
Hinter Häusern, hinter Mauern,
hat das Stadtkind sein Zuhause,
Tag für Tag im Hof rum kauern,
keinen Freiraum für Gesause.
Nur Beton und Wäscheleinen,
weder Blumenbeet, noch Rasen,
Sonnenlicht bleibt hinter Steinen,
nur der Wind kann zaghaft blasen.
Unrat quillt aus Kunststofftonnen,
durch alte Fenster dröhnt Musik,
Jahre sind hier schnell verronnen,
der Altbau modert Stück für Stück.
Dem Eigentümern scheint's egal,
Mitgefühl ist nicht vorhanden,
für ihn sind Kinder...
Horst Rehmann
Nur das tut mir so bitterweh
Nur das tut mir so bitterweh,
Daß Niemand mir von ihm erzählt,
Ob ich ihn je nur wiederseh',
Und ob er glücklich hab' gewählt.
Ich möcht' nur einmal noch ihn sehn,
Und zög' er auch an mir vorbei.
Wollt' ungesehn am Fenster stehn
Nur schauen, ob er glücklich sei.
Oskar Freiherr von Redwitz
Abends allein
im Hotelzimmer
Durch
das offene Fenster
dringen
wehklagende
Zigeunerweisen
vermengt mit
deutschem Lachen
und um die Ohren
gehauene Wortfetzen
in mein
mit schmalzigem Küchendunst
geschwängertes Zimmer
Auf
dem abgetretenen
Holzfußboden
entdeckte ich einen einsamen
Wanderer
Eine
dicke
fette
Küchenschabe
Mit
einem kräftigen
Schluck Sljivovica
spüle ich alles hinunter
Manfred Poisel
Könnt' ich spielen eine Laute,
Wüßt' ich, wem ich mich vertraute:
Vor dein Fenster würd' ich treten,
Könnt' ich blasen auf der Flaute;
Worte scheinen mir so nüchtern,
Daß mir oft vor ihnen graute!
Worte hört man nicht von ferne
Wie die süßen Flötenlaute;
Dennoch soll die Welt erfahren,
Was ich Holdes an dir schaute:
Schwarzes Auge! Goldne Locken!
Üpp'ge Glieder, schöngebaute!
Nach dem Vließe deiner Locken
Fährt mein Herz als Argonaute.
August Graf von Platen Hallermund (Hallermünde)
Im Winter
Wiesengrund und Bergeshöh'
Liegen wie begraben,
Auf dem schimmernd weißen Schnee
Tummeln sich die Raben.
Mag die Sonne auch ihr Licht
Fernehin entsenden,
Es erquickt und wärmet nicht,
Kann nur schmerzlich blenden.
Dicht vor meinem Fenster steht
Eine schlanke Linde,
Mit Demanten übersä't
Stöhnet sie im Winde.
An die Scheiben pocht sie leis',
Leis' wie Glöckchen läuten;
Was sie sagen will, ich weiß
Mir es wohl zu deuten.
Arme Linde! Tag und Nacht
Scheinst du mir zu klagen:
»Dürft ich...
Betty Paoli
Ich weiß nicht was
Ballade
Jüngst als Lisettchen im Fenster saß,
Da kam Herr Filidor
Und küßte sie,
Umschlang ihr weiches, weißes Knie;
Und sagt ihr was ins Ohr,
Ich weiß nicht was.
Dann gingen beide fort, er und sie,
Und lagerten sich hier,
Im hohen Gras
Und trieben's frei in Scherz und Spaß;
Er spielte viel mit ihr,
Ich weiß nicht wie.
Zum Spiele hatt er viel Genie,
Er trieb's gar mancherlei,
Bald so, bald so,
Da war's das gute Mädel froh,
Doch seufzte sie dabei,
Ich weiß nicht wie?
Das...
Novalis
Das Stoppelfeld
Ein kahles Feld vor meinem Fenster liegt.
Jüngst haben dort sich schwere Weizenähren
im Sommerwinde hin und her gewiegt;
vom Ausfall heute sich die Spatzen nähren.
Welch trübes Bild! Doch leiht ihm Sonnenschein
ein Kinderpaar, das auf den Stoppeln schreitet,
die letzte Lese sorgsam sammelt ein
und jeden Fund mit frohem Ruf begleitet.
Schon faßt den Ährenstrauß ihr Tüchlein kaum.
Am Bahndamm beide rastend niederhocken;
der Knabe schießt im Grase Purzelbaum,
das Mägdlein windet...
Theobald Nöthig
Es ist der Wind um Mitternacht,
Der leise an mein Fenster klopft.
Es ist der Regenschauer sacht,
Der leis an meiner Kammer tropft.
Es ist der Traum von meinem Glück,
Der durch mein Herz streift wie der Wind.
Es ist der Hauch von deinem Blick,
Der durch mein Herz schweift regenlind.
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Kompt Kunst gegangen vor ein Haus,
Man sagt der Wirth sey gangen aus;
Kompt Weisheit auch gegangen für,
So ist verschlossen ihr die Thür;
Kompt Zucht, Lieb, Treu und will gern ein,
So will niemand der Pförtner seyn;
Kompt Wahrheit dann und klopfet an,
Man läßt sie vor dem Fenster stahn;
Kompt Gerechtigkeit auch an das Thor,
So schiebt man Schloß und Riegel vor;
Kompt aber Pfennig geloffen,
Sind Thür und Thor ihm allzeit offen.
Georg Neumark
Ein Stündlein wohl vor Tag
Derweil ich schlafend lag,
Ein Stündlein wohl vor Tag,
Sang vor dem Fenster auf dem Baum
Ein Schwälblein mir, ich hört' es kaum,
Ein Stündlein wohl vor Tag:
Hör an, was ich dir sag',
Dein Schätzlein ich verklag':
Derweil ich dieses singen tu',
Herzt er ein Lieb in guter Ruh',
Ein Stündlein wohl vor Tag.
O weh! nicht weiter sag'!
O still, nichts hören mag!
Flieg ab, flieg ab von meinem Baum!
Ach, Lieb' und Treu' ist wie ein Traum
Ein Stündlein wohl vor Tag.
Eduard Mörike
Es pfeift der Wind. Was pfeift er wohl?
Eine tolle närrische Weise.
Er pfeift auf einem Schlüssel hohl,
bald gellend und bald leise.
Die Nacht weint ihm den Takt dazu
mit schweren Regentropfen,
die an der Fenster schwarze Ruh
am End eintönig klopfen.
Es pfeift der Wind. Es stöhnt und gellt.
Die Hunde heulen im Hofe. –
Er pfeift auf diese ganze Welt,
der große Philosophe.
Christian Morgenstern