Falsche Zitate (Seite 8)
Wo Schönheit ist, da ist auch Häßlichkeit.
Wenn etwas richtig ist, ist etwas anderes falsch.
Wissen und Unwissenheit hängen voneinander ab.
Verblendung und Erleuchtung bedingen einander.
So war es schon immer.
Wie könnte es jetzt anders sein?
Das eine loswerden, das andere halten wollen -
das muß ein lächerliches Schauspiel abgeben.
Auch wenn du sagts, alles sei wunderbar,
du mußt dich doch mit dem sich stets Wandelnden abgeben.
Daigu Ryôkan
Das Herz
Das Herz, das ist ein närrisch' Ding
Und plagt uns allezeit,
Bald sitzt es nicht am rechten Fleck,
Bald ist es viel zu weit!
Oft geht es falsch und nicht im Takt
Und ohne Fehler keins,
Jedoch das beste in der Welt,
Das ist, Geliebte, deins!
Das ist so rein und schlägt so treu
In Liebe, Schmerz und Glück!
Und freuen wird der Herrgott sich,
Bekommt er's einst zurück!
Gabriele (Hermine Josefine Elisabeth) von Rochow
Aus
Nun geh ich stumm an dem vorbei,
Wo wir einst glücklich waren,
Und träume vor mich hin: es sei
Alles wie vor zwei Jahren.
Und du bist schön, und du bist gut,
Und hast so hohe Beine.
Mir wird so loreley zumut,
Und ich bin doch nicht Heine.
Ich klappe meine Träume zu
Und suche mir eine Freude.
Auf daß ich nicht so falsch wie du
Mein Stückchen Herz vergeude.
Joachim Ringelnatz
So ein Tag
Heut ist mal wieder so ein Tag,
an dem ich mich pardauz nicht mag,
hab mich im Spiegel betrachtet,
mein Antlitz spöttisch verachtet.
Dort vor mir, dieses fahle Gesicht,
ist es meins? Ich glaube es nicht!
Wangen und Stirn voller Falten,
der Anblick – kaum auszuhalten.
Ich steh' still und klage spontan:
Zeit, was hast du mir angetan,
warum ist die Haut nicht mehr glatt,
weshalb ist sie spröde und matt?
Hab ich irgendwas falsch gemacht,
übers Alter nie nachgedacht,
an ewige Jugend...
Horst Rehmann
Was ist Leidenschaft? nichts als starke Triebe
Zu Neigung oder Haß, verknüpft mit Eigenliebe;
Sie wird durch den Begriff von einem Gut erregt,
Es sei falsch oder wahr, und gleich darauf bewegt.
Wenn ihre Wirkung nur nicht aus den Grenzen weichet;
Zu unser'm Wohl und nicht zu and'rer Weh gereichet,
So nimmt sie die Vernunft als etwas eignes an,
Und sorgt, wie sie dadurch uns weiter nützen kann.
Doch wenn die Leidenschaft den Mut zu heftig blähet,
Und so verblendet hat, daß sich der Mensch...
Alexander Pope
Das befreiende Wort
Ein Wort hab' ich erkoren,
Das in der Lebensschlacht
Ein Schutz, stets unverloren,
Mich hieb- und schußfest macht.
Man lernt es nur mit Schmerzen,
Doch wer's erlernen kann,
Der preist in seinem Herzen
Das Wort: was liegt daran?!
Wenn Falsches und Verkehrtes
Die Welt von ihm ersinnt,
Ein Mann, bar jedes Wertes,
Den Rang ihm abgewinnt.
Wenn ihn die blöde Menge
Belegt mit Acht und Bann,
Ihn bringt's nicht in's Gedränge –
Er denkt: Was liegt daran?!
Nah'n ihm des Alters...
Betty Paoli
Autodafé
Welke Veilchen, stäub'ge Locken,
Ein verblichen blaues Band,
Halb zerrissene Billette,
Längst vergeßner Herzenstand -
In die Flammen des Kamines
Werf ich sie verdroßnen Blicks;
Ängstlich knistern diese Trümmer
Meines Glücks und Mißgeschicks.
Liebeschwüre, flatterhafte
Falsche Eide, in den Schlot
Fliegen sie hinauf - es kichert
Unsichtbar der kleine Gott.
Bei den Flammen des Kamines
Sitz ich träumend, und ich seh,
Wie die Fünkchen in der Asche
Still verglühn -...
Johann Nepomuk Nestroy
Bleibe, Abend will es werden
Bleibe, Abend will es werden,
Und der Tag hat sich geneigt:
Bleibe, Herr, bei uns auf Erden,
Bis die letzte Klage schweigt.
Wer soll uns unsre Tränen stillen,
Wenn es deine Hand nicht tut?
Wer des Herzens Zug erfüllen,
Wenn nicht deine Liebesglut?
Ach, so falsch ist ja die Erde,
Ach, so schwankend ist das Herz:
Von der Erde, voll Beschwerde,
Führe du uns himmelwärts!
Bleibe, Abend will es werden,
Und der Tag neigt sich zur Ruh!
Bleibe, Herr, uns hier auf...
Franz Alfred Muth
Heimweh
Anders wird die Welt mit jedem Schritt,
Den ich weiter von der Liebsten mache;
Mein Herz, das will nicht weiter mit.
Hier scheint die Sonne kalt ins Land,
Hier deucht mir alles unbekannt,
Sogar die Blumen am Bache!
Hat jede Sache
So fremd eine Miene, so falsch ein Gesicht.
Das Bächlein murmelt wohl und spricht:
Armer Knabe, komm bei mir vorüber,
Siehst auch hier Vergißmeinnicht!
– Ja, die sind schön an jedem Ort,
Aber nicht wie dort.
Fort, nur fort!
Die Augen gehn mir über!
Eduard Mörike
Ich kann's, ich kann's nicht mehr ertragen,
Dies artige geleckte Sagen,
Dies kluge Reden, süße Blicken –
Dies Lachen, Rufen, Köpfenicken.
Dies Wörter- und Gedankenschniegeln,
Dies eitle Sich-im-Nachbar-Spiegeln,
Dies ganze falsche hohle Treiben –
Nein, laßt uns bei uns selber bleiben.
Christian Morgenstern