Erinnerung Zitate (Seite 3)
An sie
Wenn dieser Strauß, den ich gebunden,
Sich schüchtern vor dein Auge wagt,
Vielleicht daß er von einst'gen Stunden,
Von seligen, dir Kunde sagt.
Daß er von dem, der ferngegangen,
Erinnerung dir wiedergibt,
Der einst in deinem Bann gefangen
Ach viel geträumt und viel geliebt.
Und durftest du es nicht erwidern,
Das Flehen meiner tiefen Lust,
Die Seele öffne meinen Liedern,
So ruht mein Herz in deiner Brust.
Ernst von Wildenbruch
Gesang der Frühvollendeten
Wir denken euch im Gleiten manchmal, Lebende,
Durch Traum und Ahnung und die Flut des Abends:
Ihr Schmerzlichen, wenn ihr in schweren Taten
Zur Tiefe sinkt.
Wir stiegen steil empor,
Da unserm Aufbruch keine Ziele standen,
Uns grenzenlos die Wanderschaft empfing.
Nun sind wir über euch, und euer fernstes
Geschehen löscht, Erinnerung, vertan,
Uraltes Lächeln unserer Vergangenheit.
Maria Luise Weissmann
Sechsuhrfünfzig
Aufgewacht.
Tosender Lärm umspült in Ost und West
das Haus und lässt Wände zittern.
Deckengebirge umschlängeln meine Füße.
Deine Beine.
Suchendes Verlangen.
Eine Hand und zwei Fingerspitzen.
Meine Augen öffnen Dein Lächeln.
Dein Lachen öffnet meine Augen.
Sechsuhrfünfzig.
Sehnsucht nach Unendlichkeit.
Dein Duft und die Erinnerung.
Am Abend sechsuhrfünzig.
Christopher Weiß
Fast ein Nebel
Es ist die langsame Erinnerung
Nicht die, die manchmal überfällt
Die schwebend ist, fast unsichtbar
wie Wolken sich verdichtet
an Tagen, die nur manchmal sind.
Die ist es, die Dir Fragen stellt.
Nach Kindheit so,
daß Du den Sand noch in den Haaren spürst
und jedes aufgeschlag’ne Knie
die Tränen und den Trost.
Nach Jugend so,
daß Du noch weißt
wie’s war beim ersten Mal
nach jener neuen, frischen Zeit
in der der Lauf der Welt
allein in Deinen Händen lag.
Einstweilen...
Götz vor dem Gentschenfelde
Mut für neue Wege
Auf ausgetretenen Wegen
lauf ich mit, und gegen
Wände.
Hände
halten mich und stützen,
schützen,
tragen mich so weit.
Die Zeit
hat vieles mir genommen,
manches verschwommen,
Freude und Leid,
Erinnerung und Eitelkeit.
Und ich renne,
brenne
innerlich so lichterloh.
Bin froh,
das Feuer noch zu spüren.
Laß mich verführen
von den Zielen,
die wirklich wichtig unter vielen,
die strebsam,
behutsam,
erreichbar sind.
Und in mir weht ein neuer Wind,
der das Feuer neu entfacht
und Mut...
Katja Uhlich
Mysterium
Wie aus einer Wunde heraus
des düsteren Abendhimmels
bricht das Blut
der sterbenden Sonne –
ein Bild der Schönheit
im lodernden Untergang.
Erinnerung an Leben
und Farbe
und Kraft …
oder die Ahnung
von Jenseits?
Wo ist
das Göttliche daheim?
Mit Urgewalt
zieht uns ein Sehnen hin
in die Unendlichkeit.
Ingrid Streicher
In prächtigen Farben
naht wieder der Sommer.
Der Wind spielt
lächelnd im Haar,
streicht über die Felder,
liebkost deine Wangen.
Du weinst,
weil so schön
es einst war …
In prächtigen Farben
naht wieder der Sommer,
schenkt Blumen
und Wärme und Licht;
Erinnerung wandert
durch Tannenwälder,
die hohen Bäume
sie warten auf
auf dich …
Im Sommer kannst einmal noch
Hitze atmen,
die Liebe, das Sein
und den Tod;
in Farben und Flammen
schlägt alles zusammen –
an diesen Tagen
in Rot.
Ingrid Streicher
Abschied
Tausend Worte können nicht sagen,
wie groß die Bestürzung war, die unsere Herzen stocken ließ,
als Du so plötzlich gehen mußtest!
Tausend Worte können nicht beschreiben,
wie tief die Trauer in den Herzen derer liegt,
die Dich lieben, die Dich kennen.
Tausend Gedanken werden Dich begleiten,
auf Deiner Reise durch die Unendlichkeit.
Tausend Gedanken, in denen Du bei uns bist,
bis in alle Ewigkeit!
Die Erinnerung an Dich ist unsterblich!
Ferdinand Schmuck
In Lüften hängt ein Lerchenton
Mein Ohr hat staunend ihn vernommen
ist's eine die noch nicht entflohn?
Ist's eine die zurückgekommen,
Gelockt von Frühling schon
Da rings die Schöpfung noch von Winter ist?
Durch meine Seele zieht ein Schwung,
denn jeder Ton hat angeschlagen.
Ist's Ahnung, ist's Erinnerung
Von künftigen, von vor'gen Tagen?
Ich fühle nur mich jung
Ob wie ich's war, ob wie ich sein werd'? Ist zu fragen.
Verklungen ist die Melodie
Verklungen von Schneewolkenherden
Und Winter ist's...
Friedrich Rückert
Herbst
Eine trübe, kaltfeuchte Wagenspur:
Das ist die herbstliche Natur.
Sie hat geleuchtet, geduftet und trug
Ihre Früchte. – Nun ausgeglichen,
Hat sie vom Kämpfen und Wachsen genug. -
Scheint's nicht, als wäre alles Betrug
Gewesen, was ihr entwichen?
Das Händesinken in den Schoß,
Das Unbunte und Leise,
Das ist so schön, daß es wiederjung
Beginnen kann, wenn Erinnerung
Es nicht klein macht, sondern weise.
Ein Nebel blaut über das Blätterbraun,
Das zwischen den Bäumen den Boden bedeckt.
Wenn...
Joachim Ringelnatz
O Lächeln, erstes Lächeln, unser Lächeln.
Wie war das Eines: Duft der Linden atmen,
Parkstille hören –, plötzlich in einander
aufschaun und staunen bis heran ans Lächeln.
In diesem Lächeln war Erinnerung
An einen Hasen, der da eben drüben
Im Rasen spielte; dieses war die Kindheit
Des Lächelns. Ernster schon war ihm des Schwanes
Bewegung eingegeben, den wir später
Den Weiher teilen sahen in zwei Hälften
Lautlosen Abends. – Und der Wipfel Ränder
Gegen den reinen, freien, ganz schon künftig...
Rainer Maria Rilke