Dunkle Zitate (Seite 5)
Geduld
Schenkst du mir ein wenig Huld,
Sag' nicht "warte", sag' "Geduld" –
Nur nicht dieses kalte, harte,
Messerscharfe "warte, warte!"
Schon in meinen Kindertagen
Auf mein Flehen, auf mein Bitten
Hörte ich's zur Antwort sagen,
Hat es mir ins Herz geschnitten.
Endlich hab ich mich ergeben
In ein armes dunkles Leben –
Schenkst du mir ein wenig Huld,
Sag' nicht "warte", sag' "Geduld".
Franz von Königsbrunn-Schaub
Winternacht
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,
Still und blendend lag der weiße Schnee,
Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,
Keine Welle schlug im starren See.
Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,
Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;
An den Ästen klomm die Nix' herauf,
Schaute durch das grüne Eis empor.
Auf dem dünnen Glase stand ich da,
Das die schwarze Tiefe von mir schied;
Dicht ich unter meinen Füßen sah
Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.
Mit ersticktem Jammer tastet' sie
An...
Gottfried Keller
Traum
Bleib, o bleib in deiner Träume Welt,
Such nicht des Lebens wirkliches Sein!
Es hat nur dunkle oder grelle Farben,
Der Traum nur hat der Morgensonne Schein;
Stirbst du lebend, bist du tot noch des Lebens,
Kehren wird dein Geist zu der Erde zurück;
Stirbst du als Träumer, kannst du ruhig sterben,
Mit dir verbleicht auch dein ewiges Glück.
Jens Peter Jacobsen
Der Morgen
O sieh den Morgen lächelnd sich entschleiern,
O sieh den Turm, wie er von Strahlen glüht.
Horch! Wie dem Ruhm die Freude, zieht
Des jungen Tages ersten Feuern
Entgegen schon der Wälder erstes Lied.
Ja, lächle nur bei all dem Schönen.
Dieselbe Sonne leuchtet deinen Tränen,
Wenn morgen mich der dunkle Sarg verschlingt.
Ob meinem Grabe von denselben Tönen
Erschallt der Wald, davon er heute klingt?
Dann aber wird die Seele selig schweben
Im Grenzenlosen über Raum und Zeit.
Im Morgenrot...
Victor Marie Hugo
Wie hast du selig mich gemacht
Du milde, dunkle Sommernacht!
Es war so still in weiter Rund',
Da lag verstummt auch Mund an Mund –
Mein Liebster hat mich geküßt!
Ich träum' es Nachts in süßer Ruh',
Im Traum ist's, was am Tag ich thu',
Weiß nicht, ob Sturm ob Sonnenschein,
Muß lächeln nur in mich hinein:
Mein Liebster hat mich geküßt!
O dürft' ich künden, was mich drängt,
Was pochend fast die Brust mir sprengt,
Auf daß die Welt, die nichts vergönnt,
Den ganzen Himmel fassen könnt' :
Mein...
Angelika von Hörmann
Kleine Erinnerungen
Deine kleine Schwester
Hat ihre offenen Haare
Wie einen lebendigen Schleier,
Wie eine duftende Hecke
Vornüberfallen lassen
Und schaut, mit solchen Augen!
Durch einen duftenden Schleier,
Durch eine dunkle Hecke ...
Wie süß ists, nur zu denken
An diese kleinen Dinge.
An allen sehnsüchtigen Zweigen
In deinem nächtigen Garten
Sind Früchte aufgegangen,
Lampions wie rote Früchte,
Und wiegen sich und leuchten
An den sehnsüchtigen Zweigen,
Darin der Nachtwind raschelt,
In deinem...
Hugo von Hofmannsthal
Siehst du die Stadt?
Siehst du die Stadt, wie sie da drüben ruht,
Sich flüsternd schmieget in das Kleid der Nacht?
Es gießt der Mond der Silberseide Flut
Auf sie herab in zauberischer Pracht.
Der laue Nachtwind weht ihr Atmen her,
So geisterhaft, verlöschend leisen Klang:
Sie weint im Traum, sie atmet tief und schwer,
Sie lispelt, rätselvoll, verlockend bang ...
Die dunkle Stadt, sie schläft im Herzen mein
Mit Glanz und Glut, mit qualvoll bunter Pracht:
Doch schmeichelnd schwebt um dich ihr...
Hugo von Hofmannsthal
Die Glocken
Wie seltsam läuten, seltsam ernst und tief
die alten Glocken meiner Heimatstadt!
als ob ein Märchentraum in ihnen schlief,
daß mancher schon den Kopf geschüttelt hat.
Im morschen Glockenstuhl mit einem Mal
raunt auf das dunkle Gold ... es wiegt sich, zieht
dann durch den Abend, durch das stille Tal,
von Schwermut krank, doch voll im Klang sein Lied.
Wenn aus dem Schlaf ein Schmerz mich plötzlich stört
oft in der Fremde, spät um Mitternacht,
hör ich das Glockenspiel ganz fern und...
Camill Hoffmann
Wie zwei Bretter, schwimmend auf dem Weltmeer,
Finden sich und trennen sich die Menschen.
Jede zarte Blume der Bekanntschaft
Pflanzet schon der Trennung Dorn ins Herz dir.
Ach! und Trennung von geliebten Freunden
Ist uns, wie des Todes dunkle Blindheit.
Für die Krankheit gibt es keinen Arzt mehr.
Johann Gottfried von Herder
Das Wundervöglein
Ein Vöglein flattert vor mir her
Mit silbergrauen Schwingen.
Hör' ich es singen,
Bleibt mir das Herz nicht länger schwer.
Das ist der Vogel vom Lande
»Über dem Leid«,
Trägt purpurne Tupfen am Rande
Vom Silberkleid.
Hat in viel dunkle Wellen
Seine Flügelchen getaucht ...
Meinem wunderfeinen Gesellen
Bleibt Licht auf Flug und Flaum gehaucht.
Karl Henckell
Es flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Micht freut sie lange schon:
Bald dunkel und bald helle,
Wie der Chamäleon,
Bald rot und blau,
Bald blau und grün.
O daß ich in der Nähe
Doch ihre Farben sähe!
Sie schwirrt und schwebet, rastet nie.
Doch still, sie setzt sich an die Weiden.
Da hab' ich sie! Da hab' ich sie!
Und nun betracht' ich sie genau,
Und seh ein traurig dunkles Blau –
So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden!
Graf Carl von Haugwitz
Dunkeln muß der Himmel rings im Runde,
Daß sein Sternenglanz zu leuchten wage;
Stürmen muß das Meer bis tief zum Grunde,
Daß ans Land es seine Perlen trage;
Klaffen muß des Berges offne Wunde,
Daß sein Goldgehalt ersteh' zu Tage:
Dunkle Stunden müssen offenbaren,
Was ein Herz des Großen birgt und Klaren.
Anastasius Grün
Sehnsucht
Erträume dich in allen diesen Dingen,
in denen ich ehrlicher als ein Engel bin,
im Traum der Nacht werden wir uns durchdringen
wie ein Regenbogen einem roten Rubin.
Schiebe die grauen Wolken vom Sternenhimmel,
krauses Wasser den Mond im klaren Schein bricht,
reiten durch dunkle Schatten auf einem Schimmel
zur Sehnsucht, die heller erstrahlt als das Licht.
Erkenne dich im Begehren, das uns bindet
im einzigen Wunsch nach Zweisamkeit,
in Illusion von ewiger Zeit
das Verlangen, das...
Gerd Groß