Augen Zitate (Seite 26)
Ein Brief
Mein liebes Kind! Die Schwalben ziehen fort,
Die letzten Rosen sind nun auch verdorrt.
Der große Garten schien noch nie so leer,
Es blühen nur die blassen Astern mehr.
Und meine Sehnsucht brennt so lichterloh –
Ich weiß es nun, ich werde nimmer froh,
Bis ich dir wieder in die Augen seh. –
Verbrenne diesen Brief! Er ist so weh…
Ernst Goll
Ihm ist keiner der Geringste –
Wer sich mit gelähmten Gliedern,
Sich mit wild zerstörtem Geiste,
Düster ohne Hilf' und Rettung,
Sei er Brahma, sei er Paria,
Mit dem Blick nach oben kehrt,
Wird's empfinden, wird's erfahren:
Dort glänzen tausend Augen,
Ruhend lauschen tausend Ohren,
Denen nichts verborgen bleibt.
Johann Wolfgang von Goethe
Die meisten Menschen kommen mir
Wie große Kinder vor,
Die auf den Markt mit wenig Pfennigen
Begierig eilen.
So lang' die Tasche noch
Das bißchen Geld verwahrt,
Ach da ist alles ihre,
Zuckerwerk und andre Näschereien,
Die bunten Bilder und das Steckenpferdchen,
Die Trommel und die Geige!
Herz, was begehrst du?
Und das Herz ist unersättlich!
Es sperrt die Augen ganz gewaltig auf.
Doch ist für eine dieser sieben Sachen
Die Barschaft erst vertändelt,
Dann Adieu, ihr schönen Wünsche,
Ihr...
Johann Wolfgang von Goethe
Herbstgefühl
Fetter grüne, du Laub, am Rebengeländer hier
mein Fenster herauf!
Gedrängter quellet, Zwillingsbeeren, und reifet
schneller und glänzend voller!
Euch brütet der Mutter Sonne Scheideblick,
euch umsäuselt des holden Himmels fruchtende Fülle
euch kühlet des Mondes freundlicher Zauberhauch,
und euch betauen, ach!
aus diesen Augen der ewig belebenden Liebe
vollschwellende Tränen.
Johann Wolfgang von Goethe
Meine Ruh ist hin,
mein Herz ist schwer.
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Mein armer Kopf ist mir verrückt.
Mein armer Sinn ist mir zerstückt.
Nach ihm nur schau ich zum Fenster hinaus,
nach ihm nur geh ich aus dem Haus.
Sein hoher Gang, seine edle Gestalt,
seines Mundes Lächeln, seiner Augen Gewalt.
Und seiner Rede Zauberfluß,
sein Händedruck, und ach, sein Kuß!
Meine Ruh ist hin,
mein Herz ist schwer.
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Mein Busen drängt sich nach ihm hin,
Ach dürft...
Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
da ist alles dunkel und düster;
und so sieht's auch der Herr Philister.
Der mag denn wohl verdrießlich sein
und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein!
Begrüßt die heilige Kapelle!
Da ist's auf einmal farbig helle:
Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,
bedeutend wirkt ein edler Schrein;
dies wird euch Kindern Gottes taugen,
erbaut euch und ergötzt die Augen!
Johann Wolfgang von Goethe
Einladung zur Liebe
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in dem Schatten!
Seht mich nur, ihr müßt mich lieben!
Rosen blühen auf den Wangen,
In den Adern glühet Feuer,
In den Minen lacht Vergnügen,
In den Augen locket Liebe,
Und bewegen sich die Lippen,
So bewegt sie Scherz und Freude.
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg' ich in dem Schatten!
Mädchen, seht, wie schön ich liebe!
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Was du für häßlich hältst, ist es nicht das,
was du niemals versucht hast zu erreichen
und dessen Sinn zu verstehen du niemals wünschtest?
Wenn es Häßliches gibt, so sind es
die Schuppen auf unseren Augen
und das Wachs, das unsere Ohren verstopft.
Mein Freund, nenne nichts häßlich
außer der Furcht deiner Seele angesichts
ihrer eigenen Erinnerungen.
Khalil Gibran
Er schreitet durch das reifende Korn
der gute Gott mit weitem Schritt.
Sein Mantel rauscht, sein Haupt es nickt,
und alle Ähren nicken mit,
als hab’ er jede angeblickt
mit seinen guten Augen, fest und klar.
Und jede meint, daß er sie angehaucht
mit seinem milden Atem, ganz und gar.
Sie stecken ihre Köpflein dicht zusamm’
und flüstern scheu sich zu:
"Mir ist so seltsam heut im Sinn;
wie ist es dir, was fühlest du?"
Wie sprach er doch so vor sich hin:
"Bald habt ihr alle liebe Ruh'."
Carl Peter Fröhling
Bleib stille stehn und schau…
vor deinen Augen breitet sich Unendlichkeit,
zu deinen Füßen lecken kleine Wellen sich hinan
und legen Muscheln ab in farbenfrohem Kleid.
Du hebst sie auf, legst eine an dein Ohr
und lauscht hinein, ihr Rauschen zu vernehmen,
schaust wieder übers Meer und dann empor
und legst sie still zurück, woher du sie genommen.
Carl Peter Fröhling