Alter Zitate (Seite 13)

Wenn einem Manne, der zu einem Alter von vierzig Jahren gekommen ist, die grausamen Wahrheiten, die ärgerlichen Entdeckungen, die Geheimnisse der Gesellschaft, welche die Wissenschaft eines Weltmanns bilden, im Alter von zwanzig Jahren bekannt gewesen wären, so wäre er entweder in Verzweiflung verfallen oder er hätte sich selbst aus Vorsatz verdorben.
Nicolas de Chamfort
Tief im Schatten alter Rüstern,
Starren Kreuze hier am düstern
Uferrand.
Aber keine Epitaphe
Sagen uns, wer unten schlafe,
Kühl im Sand.
Still ist's in den weiten Auen.
Selbst die Donau ihre blauen
Wogen hemmt.
Denn sie schlafen hier gemeinsam,
Die, die Fluten still und einsam,
Angeschwemmt.
Alle, die sich hier gesellen,
Trieb Verzweiflung in der Wellen
Kalten Schoß.
Drum die Kreuze, die da ragen,
Wie das Kreuz, das sie getragen,
"Namenlos".
Albrecht Graf Wickenburg
Tiefer Friede
Die Tage verblassen, die Stunden zergehn,
Die Waffen rasten und rosten;
Ich bin von vorn und von hinten besehn
Ein armer verlorener Posten.
Es kreisen die Dohlen, es kriecht das Gewürm,
Die Menschen hassen und lieben;
Ich bin wie ein alter Regenschirm
In Gedanken stehengeblieben.
Staub deckt meine Falten, es wackelt der Knauf,
Es wankt das Skelett unterm Knaufe;
Ich wollte, des Schicksals Hand spannte mich auf
Und hielte mich unter die Traufe.
Frank Wedekind
Laßt uns in den Garten gehen,
Schönes Lieb, damit wir sehen,
Ob der Blumen Ehr, die Ros,
So eure Farb gezeiget,
Da sie heut der Tau aufschloß,
Ihre Pracht noch nicht abneiget.
Sieh doch, von wie wenig Stunden
Ihre Schönheit überwunden,
Wie zu Grund liegt all ihr Ruhm!
Wie sollt man, Natur, dich ehren,
Da du ein solch Blum
Einen Tag kaum lasset wehren?
Was ist es dann, daß ihr fliehet,
Indem euer Alter blühet,
Von meinet Lieb Süßigkeit?
Ach, genießet eurer Jahren!
Die Zeit wird...
Georg Rudolf Weckherlin
In einer Herbstnacht einsam sitzend
Einsam sitzend, bekümmert ob der grauen Schläfen,
Im leeren Zimmer ersehn ich die zweite Nachtwache.
Wilde Beeren fallen im Rauschen des Regens,
Unter der Lampe zirpt eine Heuschrecke.
Des Schopfs Ergrauen ist schließlich unumkehrbar,
Das Lebenselixier hat niemand je zustandegebracht,
Wer wissen will, was Krankheit und Alter überwindet,
Der muß sich allein dem Ungeborenen widmen.
Wang Wei
Trinklied
Der weise Diogenes war
Liebhaber ambrosischer Klarheit,
Und sang in der zechenden Schar:
Trinkt, Brüder! im Wein ist die Wahrheit!
Und kam er betrunken vom Schmaus,
Dann wählte der Alte, so heißt es,
Ein lediges Oxhoft* zum Haus,
Und freute sich atmend des Geistes.
*alter Flüssigkeitsmeßbecher
Johann Heinrich Voß
Grabschrift unsres Haushahns
An diesem Baume ruht
der Haushahn, treu und gut.
Er führt' ins achte Jahr
der lieben Hennen Schar.
Als wackrer Ehemann
rührt' er kein Krümchen an,
was wir ihm vorgebrockt,
bis er die Fraun gelockt.
Nun strotzt er nicht mehr
im Hofe stolz umher
und jagt aus seinem Ort
des Nachbarn Hühner fort.
Nun schützt er nicht vor Graun
im Sturm und Nacht die Fraun.
Nun wecket uns nicht früh
sein helles Kikeriki.
Vor Alter blind und taub,
sank er zuletzt in Staub.
Sein Kamm, so...
Johann Heinrich Voß
Greisenglück
Wie man das Alter auch mag verklagen,
Wie viel Übles auch von ihm sagen,
Die Ehre muß man ihm dennoch geben,
Daß es uns gönnt, noch das zu erleben,
Wie es tut, sich fühlt und schmeckt,
Wenn sie, die uns so toll geschreckt,
Verbellt, gejagt, durch die Wälder gehetzt,
Wenn sie nun endlich zuguterletzt,
Abläßt von ihrer keuchenden Beute,
Die Jägerin mit der grimmigen Meute,
Die wilde Jägerin Leidenschaft.
Es schmeckt wie ein kühlender Labesaft,
Es schmeckt wie ein Schläfchen nach...
Friedrich Theodor von Vischer
Breite und Tiefe
Sag', alter Narr, was rennst du wieder
So kreuz und quer, bergauf und nieder?
Was suchst du denn? Laß sein, laß sein!
Die Weite bringt es dir nicht ein,
Im Breiten wirst du's nicht erringen!
Da mußt du in die Tiefe dringen.
Der Weg ist kurz, die Arbeit schlicht:
Fünf Schuh tief, weiter braucht es nicht.
Friedrich Theodor von Vischer
Wintermorgen
Ein trüber Wintermorgen war's,
Als wollt' es gar nicht tagen,
Und eine dumpfe Glocke ward
Im Nebel angeschlagen.
Und als die dumpfe Glocke bald,
Die einzige, verklungen,
Da ward ein heisres Grabeslied,
Ein einz'ger Vers gesungen.
Es war ein armer, alter Mann,
Der lang gewankt am Stabe,
Trüb, klanglos, wie sein Lebensweg,
So war sein Weg zum Grabe.
Nun höret er in lichten Höhn
Der Engel Chöre singen
Und einen schönen, vollen Klang
Durch alle Welten schwingen.
Ludwig Uhland