Zitate
Die Illusion
Was ist die Freude, das Glück, das Leben
ohne den Traum von Hoffnung und von Ruhm!
Eine Straße, endlos, öd, uneben:
immer müder wird dein Pilgertum.
Gieb mir Melodieen – oh, nur eine:
wiege das Herz in Träume, wenn es schreit!
und dir wachsen ewige Marmorsteine
aus der Asche der Vergangenheit.
Hoffnung! Ruhm! was soll ich mich beklagen;
ein Diadem zieht strahlend vor mir her.
Was tut’s, ein Leben wie ein Bettler tragen,
wenn man stirbt wie Pindar und Homer!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Befreit
Du wirst nicht weinen. Leise, leise
Wirst du lächeln, und wie zur Reise
Geb ich dir Blick und Kuß zurück.
Unsre lieben vier Wände! Du hast sie bereitet,
Ich hab sie dir zur Welt geweitet –
O Glück!
Dann wirst du heiß meine Hände fassen
Und wirst mir deine Seele lassen,
Läßt unsern Kindern mich zurück.
Du schenktest mir dein ganzes Leben,
Ich will es ihnen wiedergeben –
O Glück!
Es wird sehr bald sein, wir wissen's beide.
Wir haben einander befreit vom Leide;
So geb' ich dich der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Was bebt und bangt so wehe
Mein Herz empor,
Wenn ich dort oben sehe
Der Sterne Chor?
Wie freie Seelen winken,
So bannt den Blick
Ihr wandelbares Blinken:
Steig an zum Glück.
Wie reine Geister glänzen,
So mahnt ihr Licht:
Steig auf aus deinen Grenzen,
Sie wehrens nicht.
Und immer dann dies Beben,
Und immer mehr.
O Stäubchen, Menschenleben,
Und doch zu schwer?
Richard Fedor Leopold Dehmel
Gottes Wille
Du hungerst nach Glück, Eva,
und fürchtest dich den Apfel zu pflücken,
den dein Gott dir verboten hat
vor dreitausend Jahren,
du junges Geschöpf!
Jeden Abend seh ich dich,
wie du die magern Händchen
in deinem einsamen Bette
emporringst zu dem Gott der alten Leute:
Gieb ihn, gieb ihn mir!
Du arme Geduld!
Er hat noch nie die Furchtsamen beglückt,
der alte Gott.
Er gab dir deinen Hunger, deine Hände:
Greif zu und iß – dann dulde!
Richard Fedor Leopold Dehmel