Zitate
Möwe über der Brücke
Dir unterm Fuß,
Zwischen den Ufern Schreitender, spannt
Sich der Brücke gewölbter Bogen.
Und eine Möwe,
Wie ein Gedanke fernher blitzend,
Schießt auf dich ihre blendende Bahn.
Eine Sekunde
Stößt ihr Auge in deines, greift
Dich der weißen Schwinge Umarmung.
Eine Sekunde
Hebt dich der Flug, trägt dich der Geist,
Der schwerelose, brausend empor.
Es weht dich an
Der unendliche Raum, es rauscht
Freiheit dir unermeßlich ums Haupt.
Wie ein Gedanke
Der weiße Vogel, fernhin sich...
Maria Luise Weissmann
Ich sah dich an...
Ich sah dich an, o daß ich dich
Niemals gesehn, nun bin ich blind,
Nun bist du groß, nun führst du mich
Ein irres Kind.
Und wo das Haus, das sichre Haus
Mir einst im Wind geborgen stand,
Da zieh ich aus, da zieh ich aus
In Niemands Land.
Und wo ich bleib und wo ich steh,
Wächst Schierling süß und duftet wund,
Umhaucht mich schwer, bespricht mich weh
Dein liebster Mund.
Wohin ich geh, wohin ich treib,
Traum treibt mich um, nie mehr erwacht
Die trübe Seel, der arme Leib
Aus...
Maria Luise Weissmann
Kakteen
Sie stehen jahrelang im Topf aus Ton,
Verstockte in sich, selbstverliebte Käuze,
In einer rätselhaft verbißnen Fron
Der Form: sind Kugel, Kegel, Kreuze,
Sie gleichen Birnen, mißgebornen Köpfen,
Sind Stein-Gespenster, Schlange, Hand:
Verfeindet so dem Außen, daß in Schöpfen
Stacheln aufstehn um sie wie eine Wand,
Dahinter sie verharrn, anarchisch, kündend,
Prophet und Gott, ihr selbstbeseßnes Ich,
Bis sie auf einmal stumm, in Blumen mündend,
...
Maria Luise Weissmann
Aber öffne...
Aber öffne nur die Türe,
Aber tritt nur auf die Schwelle,
Hebe kaum den Blick und spüre
Schon die ungeheure Helle,
Schon den Glanz der leeren Räume,
Die wie Wiese rasch erblühten,
Schon den Tanz der schweren Träume,
Die sich hoben, die erglühten...
Zärtliche beschwingte Welle,
Sieh, kein Lufthauch, der nicht rühre – –
Aber tritt nur auf die Schwelle,
Aber öffne nur die Türe!
Maria Luise Weissmann