Zitate
Heimliche Liebe
Es ist genug der Hände Drücken
Der Füße Tritt, der Augen Nicken,
Wenn, Liebchen, wir bei Leuten sind.
Hör' auf mit weitern Liebeswerken;
Man will es fast zu deutlich merken,
Daß wir uns lieben, gutes Kind.
Sind wir dann insgeheim beisammen,
So lüste frei die heißen Flammen;
Bin ich doch, Närrchen, allzeit dein.
Dann können wir uns satt ja küssen
Und, was wir je zuweilen missen,
Mit Wucher bringen wieder ein.
Karl Stieler
Letzte Wonne
Du kennst die letzte Wonne nicht,
O Weib, und wirst sie nie ergründen:
In deinen Augen glüht ein Licht,
Das will nicht wärmen, will nur zünden!
Wohl ist es süß, wenn ohne Laut,
Wenn glutverzehrt von Qual und Hoffen,
Ein Menschenaug' in deines schaut,
Vom Blitzstrahl deines Blicks getroffen;
Doch weißt du nicht, wie süß das ist:
In jener Liebe sich ergeben,
Die liebend ihrer selbst vergißt
Und wähnt, ein Wunder zu erleben !
Die selig sich gestehen kann:
Ich schmied' aus Schönheit...
Karl Stieler
Abendgang
Abendschatten füllt die Weite,
Abendfriede füllt die Welt;
Und ich zieh an deiner Seite
Durch das kühle, grüne Feld.
Wortlos und mit sachtem Schritte,
Deingedenkend, wie du mein,
Ohne Wunsch und ohne Bitte,
Will ich ganz dein eigen sein.
Wellen ziehn mit leisen Tönen,
Vöglein ziehn mit leisem Flug,
Und durch unser Herz zieht Sehnen,
Haben wir nicht Glück genug?
Jugendglück im reifern Innern,
Liedertrost, der selig labt,
Und im Alter dies Erinnern,
Wie wir einst uns lieb gehabt?
Karl Stieler
Das Leben ach! – O Mutter, bleib am Leben!
Spinn noch dies schöne alte Märchen fort
und teil mit uns, was du uns ja gegeben.
Es ist so traut im alten Lehnstuhl dort,
wenn ich die Hände leg' in deine Hände,
wenn sich dein Herz auf alte Zeiten besinnt;
o sag: Noch ist das Märchen nicht zu Ende –
und ich will lauschen – wie ein selig Kind.
Karl Stieler
Das ist wohl eine alte Lehr'
Das ist wohl eine alte Lehr'
Die kommt von langen Tagen her:
Wer Minne will genießen,
Muß Lust mit Leiden büßen.
Und wer die Minne erst erstand,
Der trug wohl vieles Leid ins Land,
Daran die Herzen kranken
Und das sie doch ihm danken.
Denn hätt' ich niemals dich geseh'n
Und müßt' an dir vorübergeh'n
Und dürfte dich nicht lieben –
Wie arm wär' ich geblieben.
Karl Stieler