Zitate
Das Leben ach! – O Mutter, bleib am Leben!
Spinn noch dies schöne alte Märchen fort
und teil mit uns, was du uns ja gegeben.
Es ist so traut im alten Lehnstuhl dort,
wenn ich die Hände leg' in deine Hände,
wenn sich dein Herz auf alte Zeiten besinnt;
o sag: Noch ist das Märchen nicht zu Ende –
und ich will lauschen – wie ein selig Kind.
Karl Stieler
Der alte Wirt steht vor der Tür,
aufs Glatteis tropft der Regen,
a Fremder, der geht aa grad für,
pumps – is er dorten g'legen.
Jetzt hat der Fremde aufbegehrt:
"Dös Glatteis is so z'wider!"
"Ja", sagte der Wirt, "hab mirs schon denkt:
sie schlagen dorten nieder.
Denn auf dem Fleck san heut schon g'falln
g'weiß zehne, darf i sagen,
i paß jetzt schon die ganze Zeit,
ob sie net aa hinschlagen."
Karl Stieler
Um Mitternacht
Ein andrer hat das Weib errungen,
Um das ich sang mit süßem Schall;
Er ist der Held, der dich bezwungen,
Doch ich bin deine Nachtigall!
Und wenn ihr beide längst gefunden
Den Schlummer, der mein Auge flieht,
Singt immer noch in nächt'gen Stunden
Die Nachtigall ihr altes Lied.
Zühküt, zühküt – die süßen Grüße
aus der vergangnen Liebeszeit;
Und ihre Sehnsucht, o die süße,
Ist reicher – als ihr beide seid!
Karl Stieler
Das ist wohl eine alte Lehr'
Das ist wohl eine alte Lehr'
Die kommt von langen Tagen her:
Wer Minne will genießen,
Muß Lust mit Leiden büßen.
Und wer die Minne erst erstand,
Der trug wohl vieles Leid ins Land,
Daran die Herzen kranken
Und das sie doch ihm danken.
Denn hätt' ich niemals dich geseh'n
Und müßt' an dir vorübergeh'n
Und dürfte dich nicht lieben –
Wie arm wär' ich geblieben.
Karl Stieler