Zitate
Mein Neujahrswunsch
Was ich erwünsche vom neuen Jahre?
Daß ich die Wurzel der Kraft mir wahre,
Festzustehen im Grund der Erden,
Nicht zu lockern und morsch zu werden,
Mit den frisch ergrünenden Blättern
Wieder zu trotzen Wind und Wettern,
Mag es ächzen und mag es krachen,
Stark zu rauschen, ruhig zu lachen,
So in Regen wie Sonnenschein
Freunden ein Baum des Lebens zu sein.
Karl Henckell
Komm, o Pfingsten!
Pfingsten, ich suche dich,
Du Fest der Freude,
Wo neues Leben
Durch Not und Tod
Alten und Jungen
Mit Feuerzungen
Weltoffenbar wird.
Pfingsten, dich suchen wir,
Du Fest des Sieges,
Wo Wahrheitsschwingen
Ob Lug und Trug
Die Luft erfüllen,
Falschheit enthüllen,
Völkerdurchbrausend.
Pfingsten, ich suche dich,
Du Fest der Geistkraft,
Wo sturmgeläutert
Von Neid und Streit
Sich Menschenmächte
Fürs Edel-Rechte
Strömend vermählen.
Pfingsten, dich suchen wir,
Fest der...
Karl Henckell
In Qualen
Wenn ich in Qualen lag,
Undurchdringlichen,
Wenn meine Seele rang
Flehend zu dir:
Hilf mir, du ewiger
Vater des Lebens,
Hilf mir, allmächtiger,
Liebender Gott!
Angeschmiedet
Ächzen die Sinne,
Hingeknechtet
In Staub und Kot –
Wenn ich gebäumt mich,
Ketten geschüttelt,
Äther zu atmen
Herrlich und frei –
Ach, nur ein Nageldruck
Deiner Allmächtigkeit
War noch vonnöten,
Daß es vollbracht –
Ließest mich liegen
Ohne Barmherzigkeit,
Mich, der ich dich nur
Brünstig begehrt;
Ließest mich...
Karl Henckell
Winzer Tod
Wenn jetzt der Tod, der große Winzer, käme,
Mich abzuschneiden von dem Stock der Zeit –
Eh er die Traube mit dem Messer nähme,
Sänk' ihm der Arm: »Noch ist die Stunde weit.
Zwar Sturm und Sonnenschein ward dir beschieden,
Genossen hast du Qual und Lust der Welt,
Empörung kennst du, und du kennst den Frieden,
Den reiferen Früchten hast du dich gesellt.
Doch tiefer sollst du deine Beeren neigen,
Und süß wie Honig will ich deinen Saft,
Gedeihe noch im Licht- und Schattenreigen –
Erst...
Karl Henckell
Das Lied des Steinklopfers
Ich bin kein Minister,
Ich bin kein König,
Ich bin kein Priester,
Ich bin kein Held;
Mir ist kein Orden,
Mir ist kein Titel
Verliehen worden
Und auch kein Geld.
Dich will ich kriegen,
Du harter Plocken,
Die Splitter fliegen,
Der Sand stäubt auf –
»Du armer Flegel!«,
Mein Vater brummte,
»Nimm meinen Schlägel!«
Und starb darauf.
Heut hab ich Armer
Noch nichts gegessen,
Der Allerbarmer
Hat nichts gesandt;
Von goldnem Weine
...
Karl Henckell
Müßiggang
Heut ging ich müßig
Den ganzen Tag,
Nun bitter büß' ich
Den Mißertrag.
Umhergetrieben
In Markt und Stadt,
Und nichts geblieben,
Was Tiefe hat.
Ein flaches Tändeln
Mit der und der,
Ein schwaches Pendeln
Die Kreuz und Quer.
Bei Büchsenschießen
Und Budenschrein
Ein halb Verdrießen
Und Nichtsgedeihn.
Der Schwarm der Grillen
Schwirrt stechend um,
Mich einzuhüllen
Mit Summ und Brumm:
»Was gingst du müßig
Den langen Tag?«
Und bitter büß' ich
Den Mißertrag.
Karl Henckell
Das Wundervöglein
Ein Vöglein flattert vor mir her
Mit silbergrauen Schwingen.
Hör' ich es singen,
Bleibt mir das Herz nicht länger schwer.
Das ist der Vogel vom Lande
»Über dem Leid«,
Trägt purpurne Tupfen am Rande
Vom Silberkleid.
Hat in viel dunkle Wellen
Seine Flügelchen getaucht ...
Meinem wunderfeinen Gesellen
Bleibt Licht auf Flug und Flaum gehaucht.
Karl Henckell
Zeichen der Seele
Ist das noch derselbe Himmel,
Der sich über mir gespannt,
Als im flackernden Gewimmel
Wilder Feuer ich gebrannt?
Ist das noch dieselbe Erde,
Die mein rascher Fuß betrat,
Als mit glühender Gebärde
Ich geschleudert Zukunftssaat?
Erd' und Himmel sind die gleichen,
Und die gleichen Sonnen lohn,
Doch die Seele rückt ihr Zeichen
In begrenzte Felder schon.
Schritt für Schritt wird nun gemessen,
Noch im Schwunge geizt die Hand,
Rann doch zu viel Korn indessen
Auf Morganas Wüstensand...
Karl Henckell