Zitate
Kein Ende
O sprich, warum denn soll ich leben,
Was soll der Finger, der mir droht?
Nichts ist mein Denken, Wollen, Streben,
Und was ich bin, ist eitel Tod.
Die Wonne beut mir ihre Schalen
Und keine Freude spürt mein Herz;
Ich lieg' in tausend heißen Qualen
Und fleh' um einen Tropfen Schmerz.
Ein neues Schwert ist jede Stunde,
Das mich im tiefsten Busen trifft,
Es wird an dem verfluchten Munde
Der Liebe Becher selbst zu Gift.
Nichts ruhet aus. In tollem Schwanken
Wahnsinnig dreht die Welt...
Friedrich Theodor von Vischer
Drei gute Dinge sind: strenge Erziehung, heilsame Stöße des Schicksals und Durst nach Wahrheit. Man darf wohl fröhlich sein; drei Dinge sind schön: ein wohlgeratener Mann, eine wohlgetan hold Weib und der blaue lichte Himmel. Drei Dinge sind schöner: Gesang, edle Sitten und gutes Gespräch. Drei Dinge sind die schönsten: Erkenntnis, Tätigkeit und selbstlose Liebe. Drei Dinge sind klein: ein Floh, ein Zwerg und ein Mensch, der nicht sterben will den Tod des Ich. Drei Dinge sind häßlich: eine...
Friedrich Theodor von Vischer
Gefangen
Als einst in jenes Laubdachs Dunkelhelle
Voll Inbrunst meine Arme dich umschlangen,
Als Haupt an Haupt und Wang' an Wange drangen,
Du schlankes Reh, schwarzäugige Gazelle,
Da traf ein Mücklein auf die holde Stelle,
Und zwischen unsern angeschmiegten Wangen
Hat es in irrem Taumel sich gefangen,
Es surrt und zappelt, will entfliehen schnelle.
Nicht wahr, du Schelm, das hat dir nicht geträumet,
Es warte dein so wunderlich Verhängniß?
So bleibe nur und werde nicht so bange!
Ein...
Friedrich Theodor von Vischer
Dank für Rat
»Den Kuß und dann die Kralle,
So sind sie alle.
Die Kralle, dann den Kuß,
Macht ihnen nicht Verdruß.« –
»Nimm's nicht so schwer! Laß ruhn!
Sie wissen nicht, was sie tun.
Oder geh fort! Geh, wandere!
's gibt andere,
Nicht alle sind Katzen
Und kratzen,
Bist eben zu lang geblieben;
Man muß mit gepacktem Koffer lieben.
Was ist der Koffer? Es ist dein Geist,
Der dich immer gefaßt sein heißt.
In die Liebe zumeist darf nur sich wagen,
Wer auch enden kann und entsagen.« –
»Dank für den...
Friedrich Theodor von Vischer
Immerzu
Gestern, ah! das war ein Schweben,
Als zum Tanz die Hand sie gab!
Über Stock und Steine streben
Muß ich heut am Wanderstab.
Gestern glänzten weiße Brüste,
Die ein tiefes Athmen hob,
Heute starren in der Wüste
Felsenblöcke rauh und grob.
Gestern noch mit heißen Küssen
Deckte mich ihr weicher Mund,
Heut von scharfer Dorne Rissen
Trag' ich Hand und Wange wund.
Gestern löste mir die Glieder
Süßer Liebe Feuertrank,
Heute lieg' ich frierend nieder
Auf des Erdgrunds harte Bank.
Auf!...
Friedrich Theodor von Vischer