Zitate
Vom Tode
In der Jugend heiterem Morgenrot
Denkt kein Mensch an Alter und Tod,
Und dies mit allem Grund und Fug;
Denn an den Tod soll man nicht denken.
Im Alter kostet es Müh' genug,
Die Gedanken von ihm abzulenken.
Memento Mori: hohler Popanz!
Motto für den Totentanz!
Taugt nichts für Junge und nichts für Greise;
Memento vivere sagt der Weise:
Fülle dein Leben tüchtig aus –
Mit dem</em> Rat hält man richtig Haus.
Friedrich Theodor von Vischer
Breite und Tiefe
Sag', alter Narr, was rennst du wieder
So kreuz und quer, bergauf und nieder?
Was suchst du denn? Laß sein, laß sein!
Die Weite bringt es dir nicht ein,
Im Breiten wirst du's nicht erringen!
Da mußt du in die Tiefe dringen.
Der Weg ist kurz, die Arbeit schlicht:
Fünf Schuh tief, weiter braucht es nicht.
Friedrich Theodor von Vischer
Die Hyazinthe
Ich grüße dich, du wunderbarer Duft,
Der sich in diesen zarten Kelchen wieget,
Du Schiff, worin durch dunkelblaue Luft
Die Seel' entzückt nach fernen Ufern flieget.
Das Steuer ist ein alter, alter Traum
Von andern Zeiten, himmelschönen Auen,
Gold ist der königlichen Ströme Schaum
Und hohe, schlanke Palmen sind zu schauen.
Die Lotosblume schwimmt auf blauer Flut,
Die Welle scheint mit holder Scham zu fragen,
Welch Wunder ihr im keuschen Schoße ruht?
Doch nur die Kinder wissen...
Friedrich Theodor von Vischer
Greisenglück
Wie man das Alter auch mag verklagen,
Wie viel Übles auch von ihm sagen,
Die Ehre muß man ihm dennoch geben,
Daß es uns gönnt, noch das zu erleben,
Wie es tut, sich fühlt und schmeckt,
Wenn sie, die uns so toll geschreckt,
Verbellt, gejagt, durch die Wälder gehetzt,
Wenn sie nun endlich zuguterletzt,
Abläßt von ihrer keuchenden Beute,
Die Jägerin mit der grimmigen Meute,
Die wilde Jägerin Leidenschaft.
Es schmeckt wie ein kühlender Labesaft,
Es schmeckt wie ein Schläfchen nach...
Friedrich Theodor von Vischer