Zitate
Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahet der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Herz, jauchze du mit!
In ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
Am blauen Gezelte
Du Vater, du rate,
Du lenke und Wende!
Herr, die in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt.
Eduard Mörike
Der Genesene an die Hoffnung
Tödlich graute mir der Morgen:
Doch schon lag mein Haupt, wie süß!
Hoffnung, dir im Schoß verborgen,
Bis der Sieg gewonnen hieß,
Opfer bracht' ich allen Göttern,
Doch vergessen warest du;
Seitwärts von den ew'gen Rettern
Sahest du dem Feste zu.
O, vergib, du Vielgetreue!
Tritt aus deinem Dämmerlicht,
Daß ich dir in's ewig neue,
Mondenhelle Angesicht
Einmal schaue, recht von Herzen,
Wie ein Kind und sonder Harm;
Ach, nur einmal ohne Schmerzen
Schließe mich in...
Eduard Mörike
Denk es, o Seele!
Ein Tännlein grünet wo,
Wer weiß, im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh'
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!
Eduard Mörike
Heimweh
Anders wird die Welt mit jedem Schritt,
Den ich weiter von der Liebsten mache;
Mein Herz, das will nicht weiter mit.
Hier scheint die Sonne kalt ins Land,
Hier deucht mir alles unbekannt,
Sogar die Blumen am Bache!
Hat jede Sache
So fremd eine Miene, so falsch ein Gesicht.
Das Bächlein murmelt wohl und spricht:
Armer Knabe, komm bei mir vorüber,
Siehst auch hier Vergißmeinnicht!
– Ja, die sind schön an jedem Ort,
Aber nicht wie dort.
Fort, nur fort!
Die Augen gehn mir über!
Eduard Mörike
Wie heimlicherweise / ein Engelein leise / mit rosigen Füßen / die Erde betritt, / so nahte der Morgen. / Jauchzt ihm, ihr Frommen, / ein heilig Willkommen, / ein heilig Willkommen! / Herz, jauchze du mit! - In ihm sei's begonnen, / der Monde und Sonnen / an blauen Gezeiten / des Himmels bewegt! / Du, Vater, du rate! / Lenke du und wende! / Herr, dir in die Hände / sei Anfang und Ende, / sei alles gelegt!
Eduard Mörike
An die Geliebte
Wenn ich von deinem Anschaun tief gestillt,
mich stumm an deinem heil'gen Wert vergnüge,
dann hör ich recht die leisen Atemzüge
des Engels, welcher sich in dir verhüllt.
Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt
auf meinem Mund, ob mich kein Traum betrüge,
daß nun in dir, zu ewiger Genüge,
mein kühnster Wunsch, mein einz'ger sich erfüllt?
Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn,
ich höre aus der Gottheit mächt'ger Ferne
die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.
...
Eduard Mörike